Türkei Angriff auf Demokratie und Freiheit
Solidarität mit den verhafteten Journalisten
Protest. Die Opposition stellt ihre parlamentarische Arbeit ein, Journalisten werden verfolgt, Kritiker mundtot gemacht – der KURIER protestiert gegen diese Praktiken der türkischen Führung und solidarisiert sich mit allen, die für Meinungsfreiheit stehen.
Recep Tayyip Erdoğan ist ein gelehriger Schüler jener Diktatoren, die in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts erst Europa und dann die Welt in den Abgrund gestoßen haben. Er geht vor wie aus dem Lehrbuch der Tyrannen: (Er)finde einen Außen- und Innenfeind, verhetze dein Volk, kriminalisiere deine politischen Gegner, feuere unabhängige Richter und Staatsanwälte, kneble die freie Presse, erkläre Kritik an deiner Person zu einem verbrecherischen staatsfeindlichen Akt – und schon ist die Demokratie keine Demokratie mehr. Und schon erscheint es nur folgerichtig, dass Oppositionsabgeordnete und Journalisten hinter Kerkermauern verschwinden.
Die Demokratie hat derzeit nicht ihre beste Phase. Nicht nur in der Türkei können wir in Echtzeit besichtigen, wie demokratische Errungenschaften auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt werden. Halb- bis Dreiviertelautokraten vom Schlage eines Putin erfreuen sich auch hierzulande in weiten Kreisen kaum verhohlener Sympathie. Die Aussage: „Man sollte einen starken Führer haben, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss“stimmen laut SORA-Umfrage 39 Prozent der Österreicher zu. Die Politikverdrossenheit ist längst in eine Demokratieverdrossenheit umgeschlagen. Dies sollte Anlass zu ernster Sorge sein. Denn die Demokratie ist „nicht unzerstörbar“, schreibt Heinz Fischer in seinem jüngsten Buch. Ein Blick über unsere Grenzen zeigt uns, dass er recht hat. Ein Blick über unsere Grenzen sollte uns dazu anhalten, sorgfältiger mit unserer eigenen Demokratie umzugehen. Der Einsatz für die Demokratie muss scheitern, wenn er nicht global erfolgt. Wir können die Demokratie nicht nur innerhalb der Grenzen unseres eigenen Landes verteidigen. Daher ist das Schweigen Europas und der restlichen freien Welt zur Umwandlung der Türkei in einen autoritären Führerstaat unerträglich.
Man fragt sich auch, wo jene Demonstranten eigentlich geblieben sind, die bei jedem politischen Schnitzer der USA (oder auch Israels) zu Hunderten mit Transparenten und Trillerpfeifen auf die Straße eilen. Im Falle der Türkei fanden sie bisher keinen Grund für ernsthafte Proteste. Wo bleibt der Aufschrei? Wo bleibt die Empörung? Wir dürfen nicht zusehen, wie vor den Toren unseres Kontinents aus einem Land, das vor Kurzem noch eine EU-Beitrittsperspektive hatte, ein islamistisch geprägter Führerstaat wird. Es handelt sich hiebei keineswegs um eine interne Angelegenheit der Türkei, sondern um einen Angriff auf die Freiheit und die Menschenwürde. Österreich, Europa, die Welt muss politischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Druck auf bauen, um die Türkei in der Reihe der zivilisierten Länder zurückzuholen.