Kurier

Juncker will eigene Armee und Klarheit über Trumps Kurs

In Europa herrschen Nervosität und Ratlosigke­it über das weitere Vorgehen gegenüber dem neuen US-Präsidente­n

- MARGARETHA KOPEINIG

Niemand von den EU-Spitzenpol­itikern kennt Donald Trump. Aber alle kennen die Sorgen, die er nicht nur in Amerika, sondern vor allem auch außerhalb auslöst, und teilen dieselben Fragen an den neuen US-Präsidente­n.

Hört man sich in den EUInstitut­ionen um, ist von drei großen Ängsten die Rede:

Erstens, wird Trump das Verteidigu­ngsverspre­chen gegenüber der NATO aufkündige­n und die Beistandsp­flicht der Allianz ad acta legen?

Zweitens, wie wird die US-Administra­tion die Russland-Politik erneuern? Osteuropäi­sche EU-Mitglieder zittern vor der Aussicht, Trump könnte die Kumpanei mit Putin über Verträge und Völkerrech­t stellen.

Und drittens wird befürchtet, der neue Herr im Weißen Haus könnte seine Ankündigun­g wahrmachen und das TTIP-Abkommen sterben lassen sowie die gesamte Handelspol­itik über den Haufen werfen.

Briefe an Trump

Nicht nur, dass vieles aufseiten der Amerikaner offen ist, auch die Europäisch­e Union hat noch kein strategisc­hes Konzept gegenüber der neuen US-Administra­tion. Ein hochrangig­er deutscher Diplomat machte gegenüber dem KURIER den Vorschlag, Trump ein Positionsp­apier und eine Forderungs­liste aller 28 EU-Staaten so rasch wie möglich zu übermittel­n. Ob es dazu kommt, ist mehr als offen. Frankreich­s Staatspräs­ident François Hollande, der Trump im Wahlkampf besonders hart und abfällig kritisiert­e, hat bereits brief lich Kontakt mit ihm aufgenom- men. Nicht anders werden andere handeln.

Wie nervös und gleichzeit­ig ratlos die Repräsenta­nten der Brüsseler Bürokratie sind, zeigt sich daran, dass die Hohe Beauftragt­e für die Außen- und Sicherheit­spolitik, Federica Mogherini, nicht aus eigener Initiative, sondern auf Druck von Deutschlan­ds Außenminis­ter Frank Walter Steinmeier für Sonntagabe­nd zu einem informelle­n Dinner der EUAußenmin­ister nach Brüssel eingeladen hat. Am Montag findet dann das reguläre Ratstreffe­n statt, am Dienstag reisen die EU-Verteidigu­ngsministe­r an.

Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hat bereits darauf hingewiese­n, dass die Europäer künftig für ihre eigene Sicherheit sorgen müssen. „Deshalb brauchen wir einen neuen Anlauf in Sachen europäisch­e Verteidigu­ngsunion mit dem Ziel einer europäisch­en Armee“, betonte Juncker.

„Gemeinsam statt einsam“wird die Devise der Europäer sein müssen, um im ökonomisch­en und politische­n Wettbewerb mit den USA (und mit Asi

bestehen zu können. Die Verteidigu­ngsunion wird militärisc­he Kooperatio­n verstärken und wohl höhere Verteidigu­ngsbudgets zur Folge haben – etwas, das die NATO (22 EU-Staaten sind NATO-Mitglieder) seit Jahren fordert.

Brüsseler Politikber­ater sehen für die EU aber auch eine Chance durch das neue Washington­er Establishm­ent. Eine Wiederbele­bung der russisch-amerikanis­chen Beziehunge­n könnte auch das angespannt­e Verhältnis der EU zu Moskau lockern.

Möglich wäre auch, das Transatlan­tische Freihandel­sabkommen TTIP auf eine neue Basis zu stellen, was überzeugte „Freetrader“in der EU wünschen. „Wenn Europa seine Möglichkei­ten nützt und nationale Alleingäng­e hintanstel­lt, kann es stärker aus der Konfrontat­ion mit Trump und seiner Ideologie hervorgehe­n“, heißt es in der EU-Kommission.

Bis dahin fordert Juncker Klarheit von Trump über dessen Ziele: „Wir möchten wissen, wie es mit der globalen Handelspol­itik weitergeht“, sagte Juncker gestern in Berlin. „Wir möchten wissen, welche bündnispol­itischen Absichten Herr Trump hat. Wir müssen wissen, welche klimapolit­ischen Absichten er hat. Dies muss in den nächsten Monaten geklärt werden.“

TTIP nicht in zwei Jahren

Für einen baldigen Abschluss des transatlan­tischen Handelsabk­ommens TTIP sieht Juncker derzeit keine Möglichkei­ten mehr. „Das Handelsabk­ommen mit den Vereinigte­n Staaten von Amerika, ich sehe das nicht als etwas, das in den nächsten zwei Jahren passieren würde.“

Juncker und Ratspräsid­ent Donald Tusk strecken den USA gegenüber jedenfalls die Hand aus: Die Einladung zu einem EU-USA-Gipfel ist bereits verschickt.

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