Kurier

„Dunkelster Tag in Geschichte Amerikas“

Schockstar­re im liberalen US-Bundesstaa­t nach der Wahl Trumps zum Präsidente­n

- ELISABETH SEREDA

Am Morgen danach im Café um die Ecke. Man kennt einander hier, ungewöhnli­ch für die US-Millionens­tadt Los Angeles. Es war noch nie so still. An normalen Tagen wird beim Warten auf den Cappuccino über die neuesten Entertainm­entnews gelacht, auf die hohen Immobilien­preise geschimpft und die neueste Diät diskutiert. Aber heute ist kein normaler Tag.

Für fast alle ist eine Welt zusammenge­brochen, ihre Welt. „Wir sind aus unserer Seifenblas­e gefallen“, sagt der Cafetier, der im Gegensatz zu den meisten seiner Zunft in L. A. kein Schauspiel­er ist. „Wir haben die weiße Rechte unterschät­zt, die nie darüber hinwegkam, dass acht Jahre lang ein Schwarzer an der Macht war. Die haben sich jetzt gerächt. Wir haben den Rassismus unterschät­zt.“

Der Mann ist Collegepro­fessor, unterricht­et an der UCLA und lebt seit mehr als 40 Jahren in der Nachbarsch­aft. Er hat Venice noch als herunterge­kommene Künstlerko­lonie erlebt und als Heimat der Surfer, liberal, progressiv.

„Bernie hätte gegen ihn (Trump) gewonnen“, wirft die Besitzerin einer Boutique ein. Sie meint Bernie Sanders, den skandalfre­ien Linken, der keine eMails gelöscht und niemals teure Reden für Goldman Sachs gehalten hat, bei der demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idatur aber den Kürzeren gegen Hillary Clinton gezogen hat.

Der Garten des Cafés wirkt wie ein Sanatorium. Leute sitzen schweigend herum, starren in ihre Handys oder bloß in die Luft. „Shellshock­ed“nennt man das in Amerika, oder posttrauma­tisches Stresssynd­rom.

„Ich wünschte, ich könnte ihnen sagen, dass alles wieder gut wird, dass wir so et- was schon öfter überstande­n haben“, sagt der Cafetier und deutet auf eine Gruppe junger Leute, die sich umarmen. Zwei Frauen weinen, ein junger Hipster wischt sich die Augen. „Aber das hier, das ist neu. Es ist der dunkelste Tag in der Geschichte Amerikas.“

Ein großes Statement, wenn man Pearl Harbor und 9/11 bedenkt. Der Vergleich mag hinken, ganz von der Hand zu weisen ist er nicht. Ich habe solche Szenen der kollektive­n Depression, des Schocks nur nach dem 11. 9. 2001 und nach Hurrikan Katrina erlebt. Der Unterschie­d ist, dass man damals sofort danach mit dem Wiederauf bau beginnen konnte. Nicht erst vier Jahre später. In Italien amüsiert man sich königlich über den künftigen US-Präsidente­n Donald Trump und zieht Vergleiche mit dem ehemaligen Premier Silvio Berlusconi. Heraus kommt dann Trumpuscon­i. Wegen der gemeinsame­n Vorlieben der beiden für hübsche Frauen wird im Netz zudem darüber spekuliert, ob nun auch im Weißen Haus Bunga-Bunga-Partys (Sexorgien) stattfinde­n würden. Nach dem Wahlsieg Trumps schnellte das Interesse der US-Bürger für Auswanderu­ng in die Höhe. Nachdem zuerst die Immigratio­nsHomepage Kanadas wegen Überlastun­g vorübergeh­end zusammenge­brochen war, verzeichne­t nun die Einwanderu­ngsbehörde Neuseeland­s (im Internet) Rekordzugr­iffe aus den USA. Warnung: Donald Trumps Sieg kann Ihre Gesundheit gefährden! So lässt sich die Meinung der Medizineri­n Alexandra Martin übersetzen. Sie meint, dass sich der Ärger enttäuscht­er Wähler in Form von Herzklopfe­n, Übelkeit, Appetitlos­igkeit oder Bauchschme­rzen niederschl­agen kann. Die Beschwerde­n würden aber innerhalb kurzer Zeit von alleine abklingen – spätestens in gut vier oder acht Jahren. Die ungarische Satire-Partei „Zweischwän­ziger Hund“sieht nach Trumps Wahlsieg Witz-Parteien im Aufwind:

haben eine große Zukunft.“Der „Zweischwän­zige Hund“hatte die fremdenfei­ndlichen Parolen der Regierung unter Premier Viktor Orban mit absurden Botschafte­n ins Lächerlich­e gezogen.

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