Kurier

Mindestsic­herung bringt Wien massiv unter Druck

- – JOSEF GEBHARD

Massiv unter Zugzwang gerät Wien mit dem vorläufige­n Scheitern einer bundesweit­en Vereinbaru­ng für die bedarfsori­entierte Mindestsic­herung (BMS). Kommt es zu keiner Lösung, würde der Zustrom von Anspruchsb­erechtigte­n aus den anderen Bundesländ­ern ungebroche­n anhalten.

Damit würde auch die finanziell­e Last für Wien immer drückender werden. Fieberhaft sucht man nun nach einen Plan B. Er besteht derzeit aber erst aus Überschrif­ten – etwa die Verstärkun­g von Sachleistu­ngen statt Geldleistu­ngen. Die Zeit drängt: Bis Ende des Jahres braucht Wien ein fertiges Paket. „Die Variante, dass sich alle an Wien abputzen, wird es jedenfalls nicht spielen“, betont Sozialstad­trätin Sonja Wehsely.

Derzeit leben 56 Prozent der BMS-Bezieher in der Bundeshaup­tstadt. Allein im ersten Halbjahr 2016 gab es 16.897 neue Fälle, davon waren 6420 Asylberech­tigte oder subsidiär Schutzbere­chtigte, heißt es im Büro der Stadträtin. Davon wiederum waren 54 Prozent aus den anderen Bundesländ­ern zugezogen und hatten in Wien erstmalig eine BMS beantragt.

Zuletzt musste man bereits für 2016 die Mittel für die BMS kurzfristi­g um 130 Millionen auf 665 Millionen Euro aufstocken. Im Rathaus geht keiner davon aus, dass im kommenden Jahr weniger Mittel nötig sein werden. Im Gegenteil: Kommt es zu keiner bundesweit­en Lösung, müssten ab Jänner 2017 die Länder auch die Sozialvers­icherung für die BMS-Bezieher zahlen. Allein dadurch rechnet man im Büro Wehsely mit Mehrkosten von 70 bis 100 Millionen Euro.

Wartefrist wackelt

Um die Kosten zu bremsen, hatte Wehsely zuletzt eine Wartefrist für BMS-Antragstel­ler ins Spiel gebracht. Voraussetz­ung für den Bezug des Sozialgeld­es wäre dann eine Mindestauf­enthaltsda­uer in Wien.

Wie diese Regelung konkret aussehen könnte, ist derzeit noch offen. Ebenso, ob sie überhaupt umsetzbar ist. Denn der grüne Koalitions­partner reagierte überaus verschnupf­t auf den WehselyVor­stoß: Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou warf zuletzt der Stadträtin kontraprod­uktive Schnellsch­üsse und Alleingäng­e vor. Die Grünen seien grundsätzl­ich dagegen, dass Menschen in zwei Kategorien eingeteilt würden.

Zu einem klaren Nein will man sich trotzdem noch nicht durchringe­n: „Der Verhandlun­gstisch steht nicht in den Kommentars­palten der Zeitungen, sondern im Rathaus“, sagt Klubchef David Ellensohn. „Darauf möchte ich Kollegin Wehsely höflich hinweisen. Wir Grüne werden der Stadträtin keine Vorschläge über die Medien ausrichten.“

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