Mindestsicherung bringt Wien massiv unter Druck
Massiv unter Zugzwang gerät Wien mit dem vorläufigen Scheitern einer bundesweiten Vereinbarung für die bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS). Kommt es zu keiner Lösung, würde der Zustrom von Anspruchsberechtigten aus den anderen Bundesländern ungebrochen anhalten.
Damit würde auch die finanzielle Last für Wien immer drückender werden. Fieberhaft sucht man nun nach einen Plan B. Er besteht derzeit aber erst aus Überschriften – etwa die Verstärkung von Sachleistungen statt Geldleistungen. Die Zeit drängt: Bis Ende des Jahres braucht Wien ein fertiges Paket. „Die Variante, dass sich alle an Wien abputzen, wird es jedenfalls nicht spielen“, betont Sozialstadträtin Sonja Wehsely.
Derzeit leben 56 Prozent der BMS-Bezieher in der Bundeshauptstadt. Allein im ersten Halbjahr 2016 gab es 16.897 neue Fälle, davon waren 6420 Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte, heißt es im Büro der Stadträtin. Davon wiederum waren 54 Prozent aus den anderen Bundesländern zugezogen und hatten in Wien erstmalig eine BMS beantragt.
Zuletzt musste man bereits für 2016 die Mittel für die BMS kurzfristig um 130 Millionen auf 665 Millionen Euro aufstocken. Im Rathaus geht keiner davon aus, dass im kommenden Jahr weniger Mittel nötig sein werden. Im Gegenteil: Kommt es zu keiner bundesweiten Lösung, müssten ab Jänner 2017 die Länder auch die Sozialversicherung für die BMS-Bezieher zahlen. Allein dadurch rechnet man im Büro Wehsely mit Mehrkosten von 70 bis 100 Millionen Euro.
Wartefrist wackelt
Um die Kosten zu bremsen, hatte Wehsely zuletzt eine Wartefrist für BMS-Antragsteller ins Spiel gebracht. Voraussetzung für den Bezug des Sozialgeldes wäre dann eine Mindestaufenthaltsdauer in Wien.
Wie diese Regelung konkret aussehen könnte, ist derzeit noch offen. Ebenso, ob sie überhaupt umsetzbar ist. Denn der grüne Koalitionspartner reagierte überaus verschnupft auf den WehselyVorstoß: Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou warf zuletzt der Stadträtin kontraproduktive Schnellschüsse und Alleingänge vor. Die Grünen seien grundsätzlich dagegen, dass Menschen in zwei Kategorien eingeteilt würden.
Zu einem klaren Nein will man sich trotzdem noch nicht durchringen: „Der Verhandlungstisch steht nicht in den Kommentarspalten der Zeitungen, sondern im Rathaus“, sagt Klubchef David Ellensohn. „Darauf möchte ich Kollegin Wehsely höflich hinweisen. Wir Grüne werden der Stadträtin keine Vorschläge über die Medien ausrichten.“