„Mit Kunstwerken unsere Welt lesen“
Der neue Salzburger Festspielchef Markus Hinterhäuser über sein Programm für Sommer 2017
KURIER: Herr Hinterhäuser, der Beginn Ihrer Intendanz bei den Salzburger Festspielen ist mit einer enormen Erwartungshaltung verknüpft. Musik- und Theaterliebhaber hoffen auf einen neuen Aufbruch. Wie mutig kann man bei einem Festival wie jenem in Salzburg überhaupt programmieren? Markus Hinterhäuser: Um gleich ein Klischee aus dem Weg zu räumen: Man kann in Salzburg, und gerade in Salzburg, sehr mutig programmieren. Wir spielen im ersten Sommer drei Opern des 20. Jahrhunderts, „Wozzeck“von Alban Berg, „Lady Macbeth“von Dmitri Schostakowitsch und „Lear“von Aribert Reimann. Daran lässt sich schon eine Richtung ablesen. Was die Regisseure betrifft ist Peter Sellars der einzige, von dem man in Salzburg schon Arbeiten gesehen hat – alle anderen sind neu für Salzburg. Bei den Konzerten gibt es einen bedeutenden Anteil an Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Es wird eine großzügig programmierte Konzertreihe geben, die dem französischen Komponisten Gérard Grisey gewidmet ist, und eine ebenso gewichtige Reihe gilt Dmitri Schostakowitsch. Hat es nicht Neue Musik heute besonders schwer, auch weil ihr das Feindbild abhanden gekommen ist?
Die Neue Musik hat es immer noch schwer, aber „Feindbild“klingt mir dann doch zu dramatisch. Amallerliebsten wäre mir, wenn sich diese Frage gar nicht mehr stellen würde. Der Umgang mit Neuer Musik müsste doch heute selbstverständlich sein. Salzburg war immer auch ein Festival der Moderne, das sollte man nicht vergessen. Ohne in die Falle einer Uraufführungsquote zu gehen, muss Neue Musik Teil einer intelligenten programmatischen Überlegung sein. Abgesehen von einer anderen Form der Programmierung – was wollen Sie am Festival grundsätzlich ändern?
Ich bewege mich in Salzburg in einer bestehenden großartigen Architektur, und ich werde diese Architektur sicher nicht beschädigen. Das Wort „Fest“im Wort „Festspiele“bezeichnet schon das Heraustreten aus dem Alltag. Aber das Spiel ist ohne Inszenierung, ohne ein Nachdenken nicht denkbar. Nachdenken worüber konkret?
Über unsere Zeit. Woher kommen wir? Wohin bewegen wir uns? Die großen Kunstwerke, die wir zeigen, geben uns die Möglichkeit, unsere Welt zu lesen. Aber das funktioniert immer nur aus der Perspektive der Zeit, in der wir leben. Mozarts „Clemenza di Tito“ist eine tiefe Reflexion über politische Strategien und über das Vergeben, das Verzeihen, heute etwas Ungeheuerliches. Im „Lear“geht es um nichts weniger als um die Einsamkeit der Macht und das Irrewerden an der Macht.