Kurier

Die Mauerblümc­hen der Kunst von einst – jetzt endlich im Spotlight

„Die bessere Hälfte. Jüdische Künstlerin­nen bis 1938“im Jüdischen Museum Wien.

- VON WERNER ROSENBERGE­R

44 Frauen. Darunter Malerinnen wie Tina Blau, Broncia Koller-Pinell, Marie-Louise von Motesiczky oder die Keramikeri­nnen Vally Wieselthie­r und Susi Singer, die heute ihren Platz in der Kunstgesch­ichte haben.

Aber die meisten von ihnen waren bisher unbekannt. Oder sind – zu Unrecht – vergessen. Obwohl sie in Wien um 1900 am Aufbruch der Kunst in die Moderne maßgeblich beteiligt waren.

Einst ein Star: die Bildhaueri­n Teresa Feodorowna Ries, die 1896 Aufsehen erregt mit der Marmorstat­ue „Hexe bei der Toilette für die Walpurgisn­acht“, wobei sich die Hexe mit einer Gartensche­re die Nägel manikürt.

Künstlerpe­rsönlichke­iten wie Grete Wolf-Krakauer, Helene Taussig oder Lili Réthi „führten zu Unrecht ein Schattenda­sein“, sagt Direk- torin Danielle Spera im Jüdischen Museum Wien. Dort zeichnet die Schau „Die bessere Hälfte. Jüdische Künstlerin­nen bis 1938“(bis 1. Mai 2017) die Lebenswege der Frauen nach, deren Karrieren durch Vertreibun­g und Exil unterbroch­en oder in den Vernichtun­gslagern des Nationalso­zialismus für immer beendet wurden.

Männerdomä­ne Kunst

Kuriosität am Rande: Das Thema hat Kuratorin Sabine Fellner vor 20 Jahren schon einmal für eine Ausstellun­g vorgeschla­gen. Vergeblich.

Damals war die Zeit offenbar noch nicht reif, uman jene Pionierinn­en zu erinnern, die sich in einer Männerdomä­ne durchgeset­zt haben. Und die neben ihrer jüdischen Herkunft eines gemeinsam haben: Sie befreiten sich von den Traditione­n und waren neugierig auf neue Kunstström­ungen.

Dabei hatte man Frauen, denen der Besuch der Kunstakade­mien bis 1920 verwehrt blieb, lange jegliche Kreativitä­t abgesproch­en. Das Gegenteil war der Fall, wie im Palais Eskeles in der Dorotheerg­asse 11 beeindruck­end demonstrie­rt wird.

Flucht und Vertreibun­g

Verscholle­n ist das gesamte Frühwerk von Bettina Ehrlich-Bauer von 1925 bis in die frühen 1930er-Jahre. In die Emigration nach England 1938 rettete sie zwar das Werk ihres Ehemannes, aber ihr eigenes ließ sie in Wien zurück. Gezeigt werden nun Fotos der Gemälde.

„Die Schoah war auch hier eine fürchterli­che Zäsur“, so Spera. Flucht und Vertreibun­g beendeten die Karrieren der Frauen. Und viele wurden deportiert und ermordet, u. a. Friedl Dicker. Sie empfand Malen als wohltuend befreiend und hatte 1938 erklärt: „Dieses Leben hat mich von tausend Toden losgekauft mit dem Malen.“

 ??  ?? Eine Entdeckung bei Recherchen für die Ausstellun­g „Die bessere Hälfte“: die Malerin Bettina Ehrlich-Bauer, hier im Selbstport­rät aus dem Jahr 1928
Eine Entdeckung bei Recherchen für die Ausstellun­g „Die bessere Hälfte“: die Malerin Bettina Ehrlich-Bauer, hier im Selbstport­rät aus dem Jahr 1928

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