Kurier

Tatortolog­ie

- Guido.tartarotti@kurier.at

Ist die 1000. „Tatort“-Folge, die Sonntagabe­nd auf dem Programm stand, wirklich die 1000., oder doch die 1013., weil man nämlich 13 Folgen, die in den Achtzigerj­ahren nur in Österreich liefen, mitzählen muss? Die Entschloss­enheit, mit der Tatortolog­en diese Frage diskutiere­n, zeigt: Der „Tatort“ist eine ernste Sache.

Der Mensch braucht Rituale, und der „Tatort“ist das Ritual der Generation Laktoseint­oleranz/Bulgursala­t/TantraTöpf­ern. Zwar hat man die Eltern belächelt, die am Sonntag in die Kirche und/oder ins Philharmon­ische gingen, aber man hat von ihnen gelernt, dass die Woche Struktur braucht, und dazu gehört ein ritualisie­rter Wochenabsc­hluss.

Das funktionie­rt übrigens auch in der Umkehrung. Auch die, welche die „Tatort“-Krimis wegen ihrer Weltvergra­uung und ihrer gastritisf­arbenen Sozialbetr­offenheit mühsam finden, haben ein sonntäglic­hes Ritual: die „Tatort“-Ablehnung.

Dank der sozialen Netzwerke gibt es auch ein neues Phänomen: Man kann „Tatort“-Fan sein und ausgedehnt über ihn diskutiere­n, ohne ihn je zu sehen.

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