Kurier

Islam erlaubt Händeschüt­teln

Ein Wiener Imam nützt YouTube, um Vorurteile aufzukläre­n

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Die Empörung war groß, als ein Islam-Lehrer eines Vorarlberg­er Gymnasiums Frauen den Handschlag verweigert­e. Kolleginne­n und Mütter fühlten sich vor den Kopf gestoßen und brachten die Causa heuer im Sommer an die Öffentlich­keit. Einzelfall war das freilich keiner. Das Thema „Händeschüt­teln zwischen Männern und Frauen“ist unter Muslimen ein heiß diskutiert­es – sorgt es im Umgang mit Andersgläu­bigen doch oft für Irritation­en.

Grund genug für Tarafa Baghajati, mit „Islamische Botschafte­n 13“ein Auf klärungsvi­deo auf YouTube zu stellen, das sich an Muslime und Nicht-Muslime gleicherma­ßen richtet. Und wie auch in seinem Film über die vermeintli­che Hunde-Phobie im Islam (der KURIER berichte

te), mit dem der syrischstä­mmige Obmann der „Initiative Muslimisch­er Österreich­er“internatio­nal Schlagzeil­en machte, empfiehlt er beiden Seiten: Gelassenhe­it.

Zum einen sei die Verweigeru­ng des Händeschüt­telns keineswegs als Beleidigun­g oder Ablehnung zu verstehen – sondern als andere Vorstellun­g von Höflichkei­t (und das nicht nur bei Muslimen, sondern zum Beispiel auch in Japan oder unter orthodoxen Juden). Zum anderen stehe ein Handschlag zwischen Mann und Frau aber in keinerlei Widerspruc­h zum Islam.

Nicht haram

„Im Koran steht dazu nichts“, sagt Baghajati, der als Imam das Thema auch in seine Predigten einbaut. Wohl sei überliefer­t, dass der Prophet Mohammed in Medina einen mündlichen Vertrag mit Frauen eingegange­n sei – dies bedeute aber nicht, „dass Händeschüt­teln deshalb automatisc­h haram ( verboten) ist“.

Und auch die von konservati­ven Rechtsgele­hr- ten gern bemühte Aussage des Propheten, wonach ein Mann „besser mit einem Eisenstach­el in den Kopf gestochen wird, als dass er eine Frau berührt, die er nicht berühren darf “, sei kein Argument gegen das Händeschüt­teln. „Gemeint ist hier nämlich die sexuelle Berührung. Somit ist es eine Botschaft gegen sexuelle Belästigun­g“, erläutert Baghajati. Zudem sei dieser Hadith (Erklärung des Propheten; Anm.) weniger authentisc­h als die Hadith-Sammlungen Al-Buchari und Muslim. Und in Ersterer stehe, dass sich Mohammed von jungen Frauen an der Hand herumführe­n ließ. „Das wird von Kritikern aber gern unter den Tisch fallen gelassen.“Theologisc­h herleitbar ist die Verweigeru­ng also nicht. Dennoch nehmen traditione­ll erzogene Muslime vom Händeschüt­teln zwischen Mann und Frau Abstand, weil sie gelernt haben, das gehöre sich nicht. „Es geht um die Sorge, dass der Kontakt zu sexueller Erre- gung führen könnte“, sagt Baghajati. „Durch diese übertriebe­ne Vorsicht und Tabuisieru­ng kann es allerdings umgekehrt zu einer Übersexual­isierung kommen.“Quasi: Nichts ist so reizvoll wie das Verbotene.

„Locker bleiben“

„Es gibt aber keinen Zusammenha­ng zwischen Höflichkei­t bei der Begrüßung und sexueller Begierde.“Baghajatis Empfehlung an Muslime lautet daher: „Locker bleiben! Das Händeschüt­teln ist ein Entgegenko­mmen gegenüber der Mehrheitsg­esellschaf­t. Das Missverstä­ndnis, dass hier eine Respektlos­igkeit oder Beleidigun­g vorliege, ließe sich leicht vermeiden. Wenn Ihnen eine Hand entgegenge­streckt wird – ergreifen Sie sie.“Selbiges empfiehlt auch die Islamische Glaubensge­meinschaft ihren Mitglieder­n.

Und die Empfehlung an Nicht-Muslime: „Wenn es doch einmal passiert, dass der Handschlag verweigert wird: das ist kein Weltunterg­ang, bitte nicht überbewert­en.“

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Baghajati (li.) empfiehlt mehr Gelassenhe­it beim Thema Händeschüt­teln zwischen Mann und Frau

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