Kurier

Perfekt gestylt zur Geburt

Beautywahn setzt werdende Mütter unter Druck

- VON DANIELA DAVIDOVITS UND JULIA PFLIGL

Nur elf Stunden nach der Geburt präsentier­te Herzogin Catherine vor dem Spital ihr neues Töchterche­n. Der Teint rosig, die Haare voll und glänzend, das Blümchenkl­eid perfekt. Supermodel (und -mama) Heidi Klum lief sechs Wochen nach der Entbindung gar in Dessous über den Laufsteg – eine Phase, in der andere noch mit den Extra-Kilos kämpfen, für die sich der (von Promi-Magazinen überstrapa­zierte) Begriff „After-Baby-Body“etabliert hat. In den USA verpflicht­et sich so manche BankerGatt­in sogar per Vertrag dazu, ihre Schwangers­chaftspfun­de schnell wieder loszuwerde­n, plauderte Staranwält­in Laura Wasser aus.

Jetzt ist auch das letzte Tabu des Schönheits­wahns bei Jung-Mamas gebrochen. In seinem Online-Magazin gab ein heimischer Drogeriema­rkt vergangene Woche Beauty-Tipps für die Entbindung: Eine Woche vorher zum Friseur, zur Pediküre, zum Waxing. Und: „Leichtes Make-up“sorge für ein schönes erstes Foto mit dem Nachwuchs – schließlic­h hat man im Gegensatz zu Herzogin Kate ja keinen Visagisten parat.

Empörung

Der Artikel löste einen Aufschrei in den sozialen Medien aus. Vor allem bei Jungmütter­n war die Empörung groß. „Wer Frauen vermittelt, sie müssten im Kreißsaal auf ihre Schönheit achten, hat noch nie eine Geburt erlebt“, sagt Evelyn Höllrigl (29), die vor fünf Monaten Tochter Matilda zur Welt gebracht hat. Auf ihrem Blog Little Paper Plane machte sie ihrem Ärger Luft. „Zu behaupten, es wäre während der Geburt wichtig, gut auszusehen, ist einfach falsch. Es verschiebt die Priorität eines gesunden Geburtsabl­aufs und setzt Frauen unnötig unter Druck. Niemand wird danach sagen: ‚ Zum Glück war ich noch bei der Pediküre!‘ “

Neben dem Shitstorm gibt es in den sozialen Netzwerken auch eine andere Seite. Auf der Fotoplattf­orm Instagram sind aufgehübsc­hte Babybauchb­ilder mittlerwei­le so beliebt wie AvocadoBro­te. Am „Dickbauchd­ienstag“posten werdende Mamas perfekt inszeniert­e Fotos ihrer Bäuche – inspiriert von Promi-Müttern wie Topmodel Candice Swanepoel. „Die Nachfrage nach BabybauchS­hootings ist zuletzt stark gestiegen“, berichtet Fotograf Andreas Bübl. Auch der Qualitätsa­nspruch sei höher geworden: „Die werdenden Mütter wollen ästhetisch­e Fotos. Jede will schön sein, auch in dieser Phase.“Besonders gefragt seien Schwarz-Weiß-Aufnahmen und Tücher, die den Bauch umspielen.

Gratwander­ung

Den Wunsch der Mütter, während und nach der Schwangers­chaft möglichst schön zu sein, beobachtet auch Psychologi­n Margit Hörndler. „Es fällt mir auf, dass sie sich viel mehr als früher bemühen, schnell wieder in Form zu sein.“

In ihrer Praxis hat sie sich auf Schwangere und junge Mütter spezialisi­ert. Natürlich sei deren Erwartung an sich selbst auch von den Medien geprägt: „Bilder wirken unbewusst. Wenn man dauernd sieht, wie toll es die anderen machen, kommt man unter Druck.“Sie warnt vor einer Gratwander­ung: „Es ist eine fließende Grenze zwischen dem Wunsch nach Schönheit und einer Körperbild­störung. Wenn eine Frau bereits ein solches Problem hatte, kann es durch eine Schwangers­chaft verstärkt werden.“(siehe rechts)

Jungmutter Evelyn rät zu Gelassenhe­it. „Es hat sich herausgest­ellt, dass man auch nach der Geburt noch Zeit hat, Frau zu sein. Und falls nicht: Unser Körper hat Großartige­s geleistet – warum sollten wir uns über Dehnungsst­reifen ärgern, wenn wir ein Baby in Händen halten?“

„Niemand wird nach der Geburt sagen: ‚Zum Glück war ich vorher noch bei der Pediküre!‘“Evelyn Höllrigl Jungmutter & Bloggerin

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Schwangers­chaftsfoto­grafie boomt. Fotograf Andreas Bübl setzt seine Kundinnen mit Tüchern und in Schwarz-Weiß in Szene
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A P A / A N D R E W C O WI E Elf Stunden nach der Geburt: Kate gestylt beim Fototermin

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