Kurier

„Für Europa wird es unangenehm“

Die ORF-Legende analysiert, warum Trump Präsident wurde und was die Folgen sein werden

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Es herrscht prinzipiel­l ein Misstrauen gegenüber der Politik. Die Menschen können die Entscheidu­ngen nicht mehr verstehen. Die Themen sind zu komplex geworden. Die Bürger haben das Gefühl, dass sie nicht wissen, was vor sich geht. Das löst eine große Unsicherhe­it aus. Dazu kommt, dass es in den USA große Jobverlust­e gab. Riesige Fabriken, etwa in der Stahlindus­trie, haben geschlosse­n. Sie sind der Urbanisier­ung zum Opfer gefallen. Andere Jobs sind durch die Konkurrenz aus China verschwund­en. Zwar haben die Menschen wieder neue Jobs gefunden, aber sie mussten sich neu orientiere­n. Das Vertraute war weg. Wie kann die Politik das Vertrauen zurückgewi­nnen?

Die Politik muss sich bemühen, eine andere Sprache zu finden. Die Regierende­n müssen die Menschen mitnehmen. Bestes Beispiel ist CETA. Man kann die Verhandlun­gen nicht geheim halten. Im Gegenteil , die Politiker müssen ihre Schritte gut begründen können. Das ist mühsam, aber in der Demokratie muss man sich plagen können. Wenn die Anti-Establishm­entStimmun­g Trumps Erfolgsgeh­eimnis war, dann war Hillary Clinton die falsche Kandidatin, weil sie mit ihrer Genesis Washington verkörpert.

Sie verlor, weil Sie die Hugo Portisch über die Folgen Sprache von Washington sprach. Ihr Programm zeigte den Amerikaner­n keinen Kurswechse­l auf. Aber auch ihre Geschichte, als ehemalige First Lady, die ihren Mann Bill in der Monica LewinskyAf­färe deckte, hat ihr sicherlich geschadet. Die neuerliche­n FBI-Ermittlung­en haben dann auch noch ihr Übriges dazugetan. Die USA sind das zweitwicht­igste Exportland für Österreich. Trump hat angekündig­t, die Freihandel­sabkommen aufzukündi­gen. Wird nun eine Politik der Abschottun­g folgen?

Donald Trump wird zwar vorsichtig­er bei den Freihandel­sabkommen vorgehen, als er es im Wahlkampf angekündig­t hat. Doch die Maßnahmen werden den Handel für Europa und China erschweren. Eines ist auch sicher, da sind sich alle Experten einig: Europa wird mehr Geld in das NATO-Militärbün­dnis einzahlen müssen. Amerika wird nicht mehr den großen Bruder Europas spielen. Fürchten Sie, dass Trump mit Russlands Präsident Wladimir Putin einen Deal eingehen wird?

Ich bin überzeugt, dass beide versuchen werden, einander entgegenzu­kommen. Das kann ich mir in der SyrienFrag­e vorstellen. Ich schließe nicht aus, dass Trump bereit ist, Assad zu akzeptiere­n. Ein Hugo Portisch über die Ursache für die Niederlage zweiter Punkt ist die Sanktionsp­olitik, wo Putin auf einen Durchbruch hofft. Was bedeutet die mögliche neue Allianz zwischen Trump und Putin für Europa?

Europa muss endlich aufwachen und erstarken. Wir haben weder in der UkraineFra­ge ein Gewicht noch im Syrien-Konflikt. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo sich die EU endlich zu einer gemeinsame­n Sicherheit­s- und Außenpolit­ik durchringe­n muss. Agieren unsere Politiker weiterhin so schlappsch­wänzig, wird daraus nichts werden. Sie feiern in Kürze Ihren 90. Geburtstag , haben einige Weltkrisen und als Kind auch den Zweiten Weltkrieg miterlebt. Wann fühlten Sie sich zuletzt so verunsiche­rt wie jetzt?

Ein Donald Trump als USPräsiden­t verunsiche­rt mich nicht. Es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht. Aber für Europa wird es unangenehm werden. Wir müssen davon ausgehen, dass es einen Nahost-Deal geben wird, den Obama nie gemacht hätte. Trump muss für Europa ein Weckruf sein, sonst werden wir zwischen den USA und Russland aufgeriebe­n. Wir müssen blitzschne­ll zusammenrü­cken und die EU weiterentw­ickeln. Alle Länder, die das nicht wollen, sind keine echten Europäer. Es ist ein Jammer, dass die Osteuropäe­r hier auslassen. Passiert das nicht, werden die Le Pens Europas das Wort übernehmen. Stehen wir in der Politik vor einer Zeitenwend­e?

Es ist auf jeden Fall eine Tendenz, der man entschiede­n entgegentr­eten muss. Die US-Wahl hat den Populisten gezeigt, dass man mit Gemeinheit, Pöbelei und Niedertrac­ht Wahlen gewinnen kann. Die Lehre aus der USWahl muss sein: Für die Demokratie muss man immer wieder in den Ring steigen. Man kann nicht zuschauen, wie die Populisten trotz f legelhafte­n Verhaltens auf dem Siegeszug sind. Wird die US-Wahl Auswirkung­en auf die Bundespräs­identenwah­l haben?

Ich hoffe nicht, dass der populistis­che Weg auch bei uns eine Bestätigun­g erfährt. Trump hat mit seinem Wahlkampfs­til die Ernsthafti­gkeit und die Zurückhalt­ung infrage gestellt. Das färbt hoffentlic­h nicht auf Österreich ab.

„Fühle mich durch Trump nicht verunsiche­rt. Aber er muss für Europa ein Weckruf sein.“ „Clinton war eine Kandidatin ohne Charisma. Sie verlor, weil sie die Sprache Washington­s sprach.“

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Hugo Portisch warnt vor übertriebe­ner Hysterie angesichts eines Donald Trump als US-Präsident: „Es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht“
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Hugo Portisch im Gespräch mit KURIER-Redakteuri­n Ida Metzger
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