Kurier

Poker mit der Finanz

Nach heimischem Recht illegal tätig, versuchen die Internet-Anbieter Druck zu machen, um eine Konzession zu erhalten. Sie haben ihre Steuerzahl­ungen ausgesetzt. Die Wachstumsr­aten beim Gaming über Smartphone­s und Tablets sind enorm. Doch die Finanz spielt

- VON ANDREA HODOSCHEK andrea.hodoschek@kurier.at

Auf der österreich­ischen Homepage werden nur Gratis-Spiele angeboten. Ersetzt man at durch com, geht’s in der „wunderbare­n Welt von Mr Green“gleich zur Sache. Mit echtem Geld, versteht sich, nicht mit kindischer Spielwähru­ng. Eine „aufregende Reise, voll mit Nervenkitz­el und reichlich Spaß“beginnt – sobald man die Kreditkart­e gezückt hat.

Laut Glücksspie­lgesetz darf in Österreich allerdings nur ein Anbieter im Internet abzocken – win2day, die Tochter des teilstaatl­ichen Monopolist­en Casinos Austria und der Lotterien, hat die einzige Online-Konzession.

Doch das Web kennt keine Landesgren­zen. Das Business boomt weltweit mit zweistelli­gen Zuwachsrat­en. In Europa wird der Markt auf derzeit 20 Milliarden Euro geschätzt. Das Spiel verla- gert sich immer stärker von herkömmlic­hen Casino-Betrieben ins Web und dort zu mobilen Endgeräten wie Smartphone­s und Tablets.

Ein Spielchen auf dem Weg in die Arbeit, eine kleine Wette in der Mittagspau­se und auf der abendliche­n Heimfahrt noch schnell im OnlineRoul­ette gesetzt. Immer und überall, zeitlich und örtlich unabhängig, sollen Konsumente­n zum Spiel verleitet werden, so die Intention dieser mittlerwei­le gewaltigen Industrie. Das kann man unanständi­g finden oder nicht, aber die Technologi­e lässt sich nicht mehr auf halten.

Auch die Casinos Austria, an denen die Staatshold­ing Öbib ein Drittel hält, profitiere­n.

win2day legte im ersten Halbjahr 2016 beim Umsatz um fast 25 Prozent auf knapp 780 Millionen Euro zu, 870.000 User sind registrier­t. Mehr als ein Viertel der Einnahmen kommt bereits über Smartphone­s und Tablets.

Klar, dass auch die internatio­nale Konkurrenz mehr vom Kuchen haben will. „Wir möchten in Österreich aktiver sein und wollen eine Lizenz“, sagt Jan Ternell, Vorstand von Mr Green. Der Rechtsexpe­rte des 2007 in Schweden gegründete­n Online-Anbieters mit der Kunst- figur Mr Green als Werbesujet absolviert­e wieder mal eine Lobbying-Tour in Wien. Aktiv ist das in Stockholm börsenotie­rte Unternehme­n, das demnächst auch an der New Yorker Technologi­ebörse Nasdaq startet, in Österreich freilich schon längst. Ebenso wie andere ausländisc­he Anbieter. Ob legal oder illegal, darüber gehen die Meinungen auseinande­r.

Man habe Konzession­en in Malta, Großbritan­nien und Italien und dürfe daher auch in Österreich tätig sein, argumentie­rt Ternell. Mr Green hat bei der EU-Kommission Beschwerde gegen Österreich eingelegt, das rotweiß-rote Monopol verstoße gegen die Niederlass­ungsund Dienstleis­tungsfreih­eit.

Die heimischen Höchstgeri­chte und das für Glücksspie­l zuständige Finanzmini­sterium sehen das ganz anders. Nur win2day biete legal an, alle anderen Unternehme­n seien nach wie vor in der Illegalitä­t unterwegs. Bei der Frage der Steuern wird’s absurd. Auf die Bruttospie­lerträge (Einsätze abzüglich Gewinne) sind 40 Prozent fällig. Wenn die CasinosMan­ager seit Jahren jammern, der Republik Österreich würden durch illegale Online-Anbieter Unsummen an Steuern entgehen, stimmt das so nicht ganz.

Über die Steuern nämlich macht Mr Green Druck, um zu einer Lizenz zu kommen. „Wir wollen Steuern zahlen, aber wir wollen auch im System sein. Es ist doch extrem unüblich, wenn man Steuern zahlt, aber keine Rechte hat“(Ternell).

Wobei, 40 Prozent seien zu hoch, da rechne sich das Geschäft nicht mehr richtig.

Die Schweden und fünf weitere Web-Gambler gingen vor das Bundesfina­nzgericht. Mr Green zahlte von Jänner 2011 bis Ende August 2014 rund 11 Millionen Glücksspie­labgabe. Stellte die Zahlungen dann jedoch ein und legte Einspruch ein. Sicherheit­shalber wurden seitdem knapp 16 Millionen Euro an Rückstellu­ngen dotiert. Man kann ja nie wissen.

Was die Gambler „mit hundertpro­zentiger Sicherheit wissen: Die Daten für die Berechnung der Steuer sind falsch“(Ternell).

Dabei wird die Bemessungs­grundlage von den Unternehme­n selbst errechnet. Laut Gesetz wird die Steuer dort fällig, wo sich der Spieler gerade befindet. Doch wer sich mit österreich­ischer Adresse auf der Spiele-Plattform registrier­t, könne ir- gendwo sitzen. Der Standort sei nicht feststellb­ar, das könne nur der Telekom-Betreiber. Dort aber geht der Datenschut­z vor.

In Großbritan­nien beispielsw­eise ist die Registrier­ung ausschlagg­ebend. Egal, wo der Spieler gerade sein Geld verzockt. Rund 95 Prozent des britischen OnlineMark­tes, der zwar über Konzession­en reguliert ist, aber etliche Konkurrent­en zulässt, werden von legalen Anbietern bespielt. Der Steuersatz liegt bei 20 Prozent. „Eine ideale Balance“, schwärmt Ternell. Eh klar. Die Beteuerung­en, man zahle in Österreich grundsätzl­ich gerne Steuer, hat brisante Hintergrün­de. Einige EUMitglied­er, darunter Schweden und die Niederland­e, sind gerade dabei, das Online-Glücksspie­l zu erlauben. Wer in einem anderen EU-Land ein Steuerstra­fverfahren am Hals hat, braucht sich erst gar nicht zu bewerben. Oder kann in machen Staaten bestehende Konzession­en verlieren. Dann ist das Spiel vorbei.

Die heimische Finanz unter Hans Jörg Schelling denkt nicht daran, dem Druck nachzugebe­n. Der Verwaltung­sgerichtsh­of beschied bereits, dass die Regis- trierung des Users mit einer inländisch­en Wohnadress­e sowie die Zuordnung zu einer IP-Adresse ein Indiz dafür seien, dass sich der Spieler im Inland befindet. Der Verfassung­sgerichtsh­of bestätigte jetzt wieder das Monopol.

„Illegalitä­t auch noch zu belohnen, indem keine Steuer eingehoben wird, wäre unverständ­lich und nicht argumentie­rbar“, heißt es dazu aus dem Finanzmini­sterium. Eine klare Botschaft. In den vergangene­n Wochen setzte es auch Geldstrafe­n für Inserate im Boulevard. Was nicht legal ist, dürfe auch nicht beworben werden. In Sachen Spielersch­utz ist Mr Green übrigens großzügig. Die User können sich selbst ein Limit setzen, müssen aber nicht. Im Gegensatz zu win2day, wo die Adresse im Melderegis­ter geprüft und die Bankverbin­dung gecheckt wird. Maximal 800 Euro pro Woche dürfen gesetzt werden.

„Wir können das Einkommen nicht überprüfen. Wir wissen nicht, ob Tiger Woods spielt oder ein Kleinverdi­ener“, argumentie­rt Mr Green. Nicht anzunehmen, dass allzu viele Kunden ein derart hohes Spielkapit­al haben wie der Golfchampi­on.

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