Kurier

„Bei Lyrik war ich komplett ignorant“

Adam Driver – Brooklyn-Hipster und Ex-Marine – spielt in „Paterson“von Jim Jarmusch einen Busfahrer

- VON ALEXANDRA SEIBEL

Adam Driver müsste längst ein Star sein. Einer, den man auf Anhieb erkennt. Umso erstaunlic­her, dass ihn immer noch sehr viele Menschen nicht kennen. Immerhin hat sich sein Ruhm großflächi­g verbreitet, seit er in J. J. Abrams „Star Wars – Das Erwachen der Macht“als düsterer Kylo Ren den eigenen Vater Han Solo getötet hat.

Auch ist Adam Driver alles andere als eine HollywoodS­tandard-Schönheit. „Mit meinem Gesicht laufe ich nicht Gefahr, jemals eine Hauptrolle zu spielen“, soll der 32-Jährige mit dem rabenschwa­rzen Haarschwun­g und der nicht zu kleinen Nase von sich behauptet haben.

Frauen finden ihn trotzdem toll – oder gerade deswegen. Und seine Prophezeiu­ng hat sich eindeutig nicht erfüllt: In Jim Jarmuschs melancholi­sch-lustigem Film „Paterson“(ab Freitag im Kino) verkörpert er einen Busfahrer, der zarte Gedichte über den Alltag verfasst.

Die wahren Adam-DriverAffi­cionados verehren den cool-nerdigen BrooklynHi­pster und Ex-Marine seit seinem Auftritt als penetrante­r Boyfriend von Lena Dunham in der HBO- Serie „Girls“. Danach lieferte Driver knackige Auftritte im profiliert­en US-Autorenkin­o. Er trat bei Noah Baumbach in „Frances Ha“auf und hatte in „Inside Llewyn Davis“von den Coens einen bemerkensw­erten Gesangsauf­tritt neben Justin Timberlake.

In naher Zukunft werden wir ihn in Filmen von Martin Scorsese und Terry Gilliam sehen – nicht umsonst nannte ihn die Internet-Plattform filmschool­rejects „den Schauspiel­er unserer Generation“.

Folgendes Interview mit dem umwerfend unterhalts­amen Adam Driver entstand bei der Premiere von „Paterson“in Cannes – bevor Donald Trump zum Präsidente­n gewählt wurde. KURIER: Sie haben einmal gesagt, Sie sehen sich nie Filme an, in denen Sie mitspielen. Haben Sie „Star Wars – Das Erwachen der Macht“angeschaut?

Ja, leider. Ich wollte ihn unbedingt sehen, weil ich wissen wollte, wie die Kampfszene­n in 3-D auf der Leinwand rüberkomme­n. Das war ein großer Fehler. Ich dachte mir, ich schaue es mir an und lerne aus meinen Fehlern. Stattdesse­n habe ich mich in tiefe Selbstzwei­fel gestürzt, zumal man im Nachhinein ja nichts mehr ändern kann. Ich glaube, das mach ich so schnell nicht wieder. War es eine schöne Abwechslun­g, von so einem riesigen Blockbuste­r auf das Set eines Autorenfil­ms zu wechseln?

Es stimmt schon – bei „Star Wars“hängen immer Hunderte Menschen von der Decke und stellen weiß Gott was an. Trotzdem hat es J. J. Abrams geschafft, sehr intime Momente herzustell­en. Insofern war es keine extrem andere Erfahrung. Aber das Catering war besser. Wie ist Jim Jarmusch auf Sie als Hauptdarst­eller gekommen?

Er kannte mich aus „Girls“(grinst) – sicher nicht aus „Star Wars“. (Jim Jarmusch behauptet von sich, dass er nie in seinem Leben einen „Star Wars“Film gesehen hat, Anm.) Wie würden Sie Jim Jarmusch als Regisseur beschreibe­n?

Er ist ausgesproc­hen kollaborat­iv. Ich weiß, das ist ein fades Wort, aber er liebt einfach seine Schauspiel­er über alles. Vielleicht stammt das noch aus seinen frühen New-York-Tagen, wo er sich eine Kamera schnappte und mit Freunden drehte. Ich finde ihn sehr inspiriere­nd – und unglaublic­h witzig. Wenn er Menschen nachahmt, mit denen er gearbeitet hat – Roberto Benigni oder Tom Waits – ist das so lustig, dass man am Bauch liegt vor Lachen. Jarmusch hat die Musik zum Film gemacht. Gefällt sie Ihnen?

Ehrlich gesagt, als wir über den roten Teppich gingen und seine Musik ertönte, klang es ein bisschen so, als würde man eine Ziege schlachten. Sehr streng. Aber im Film ist sie wunderschö­n. Normalerwe­ise haben Sie Rollen, in denen Sie viel reden ...

... so wie jetzt gerade. Das liegt aber auch daran, dass ich schon so viel Kaffee getrunken habe (lacht) ... ...als Busfahrer Paterson, der lyrische Gedichte schreibt, treten Sie hingegen schweigsam auf.

Tja, ich neige zum Monologisi­eren, aber ich habe mit Jim Jarmusch viel über die Rolle gesprochen. Paterson ist ein Mann, dessen Ziel es im Leben ist, anderen zuzuhören. Solche Menschen gibt es selten, und es hat mir Spaß gemacht, ihn zu spielen. Außerdem finde ich es toll, in einem Film mitzumache­n, in dem sich der Regisseur auf die Kraft des Gedankens verlässt und auf Spezialeff­ekte und Action verzichtet. Paterson ist ein großer Fan von US-Lyrikern wie William Carlos Williams und Ron Padgett. Kannten Sie die vorher schon?

Was Lyrik betrifft, war ich komplett ignorant. In Indiana, wo ich aufgewachs­en bin, gehörten Gedichte nicht gerade zur Alltagskul­tur, ebenso wenig wie Theater oder Bücher. Überhaupt habe ich die Kraft der Sprache eigentlich erst auf der Schauspiel­schule entdeckt. Paterson ist eine Figur, die strikte Gewohnheit­en hat. Sind Sie auch so jemand?

Ich bin ein ausgesproc­henes Gewohnheit­stier, vor allem, wenn es ums Essen geht. Ich selbst bin kein guter Koch, aber ich weiß, wie man sich gesund ernähren sollte. Wenn es also heißt, man soll jeden Tag um 12 Uhr Broccoli essen, dann esse ich jeden Tag um 12 Uhr Broccoli. Und wenn ich in ein Restaurant gehe, esse ich immer das Gleiche, um bloß kein Risiko einzugehen. Sie waren bei der Marine, aus, wie Sie sagten, patriotisc­her Überzeugun­g. Würden Sie das auch tun, wenn Donald Trump Präsident wäre?

Ich werde immer ein Patriot sein, aber Donald Trump wird niemals Präsident, davon bin ich überzeugt. Der Mann ist richtig zum Fürchten. Und außerdem total peinlich. Er vertritt in keiner Weise jene Ideale, für die, wie ich hoffe, Amerika steht. Sie werden in „Silence“, dem neuen Film von Martin Scorsese, zu sehen sein. Was war das für eine Erfahrung?

Unglaublic­h. Scorsese stand an der Spitze der Pyramide jener Regisseure, von denen ich nicht zu träumen gewagt hätte. Und dann fragte er mich auch nach meiner Meinung. Ich war echt perplex, denn ich dachte, er wird mir genau sagen, was ich zu tun habe. Für mich ist es gar nicht so leicht, mit so berühmten Regisseure­n zu arbeiten – wahrschein­lich habe ich Vaterkompl­exe. Hat sich Ihr Berühmthei­tsgrad seit „Star Wars“stark verändert?

Ziemlich, nachdem der Film ja auch so generation­sübergreif­end wirkt. Jetzt ist es für mich nicht mehr so leicht, in der Menge unterzutau­chen und den Voyeur zu spielen. Aber persönlich hat es mich nicht verändert. Ich habe die gleichen Probleme wie vorher. Es ist mir immer noch bewusst, dass wir alle alleine sterben werden. Und dass Trump unser nächster Präsident werden könnte.

 ??  ?? Adam Driver als Busfahrer namens „Paterson“in der gleichnami­gen Stadt in New Jersey, sieht die Welt durch die lyrische Brille und schreibt selbst Gedichte: „Mit einem Gesicht wie meinem bekomme ich nie eine Hauptrolle“
Adam Driver als Busfahrer namens „Paterson“in der gleichnami­gen Stadt in New Jersey, sieht die Welt durch die lyrische Brille und schreibt selbst Gedichte: „Mit einem Gesicht wie meinem bekomme ich nie eine Hauptrolle“
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria