Kurier

Einblick in zerstörte Linzer Synagoge

Eine Visualisie­rung im AEC macht den Rundgang durch das 1938 abgebrannt­e Gebäude möglich

- VON CLAUDIA STELZEL-PRÖLL

Wo seit 1968 ein dezentes, kleines Gebäude steht, sah es vor knapp 80 Jahren noch ganz anders aus. Am Standort Bethlehems­traße 26 im Zentrum von Linz stand bis 1938 ein im klassizist­ischen Stil erbauter Tempel beachtlich­er Größe. Zu diesem Zeitpunkt gehörten rund 800 Mitglieder zur israelitis­chen Kultusgeme­inde. Am 10. November 1938, in der Reichspogr­omnacht, wurde der beeindruck­ende Bau angezündet und durch das Feuer komplett zerstört.

Virtueller Rundgang

Geschichte trifft also auf Zukunft, wenn kommenden Dienstag, 15. November, 19 bis 20 Uhr, trotzdem Einblicke in das nicht mehr existente Gebäude möglich sind (Reservieru­ng: 0732/72 72 51). Architektu­r-Absolvent René Mathe hat im Rahmen seiner Diplomarbe­it an TU Wien die Daten und Fakten rund um die zerstörte Linzer Synagoge recherchie­rt und das Gebäude innen wie außen durchgängi­g visualisie­rt.

Seine Abbildunge­n sind im Deep Space des Ars Electronic­a Center zu sehen und sollen einen virtuellen Rundgang durch die ehemaligen Räume ermögliche­n. „Ich habe viel Zeit in den Linzer Archiven verbracht, alte Umbaupläne, Luftaufnah­men, Fotos und textliche Beschreibu­ngen gesichtet“, erinnert sich Mathe. Die Zusammenar­beit mit dem AEC sei über seinen Uni-Professor zustande gekommen, von der Visualisie­rung am Dienstag erhoffe er sich einen „Effekt, als ob man direkt in der Synagoge stehen würde.“

Bereits 1995 wurde in Darmstadt der Grundstein für die Rekonstruk­tion zerstörter Synagogen im europäisch­en Raum gelegt. 1998 wurde dieser Gedanke auf der Technische­n Universitä­t in Wien aufgenomme­n und mittlerwei­le konnte bereits eine beträchtli­che Anzahl an Gebäuden virtuell rekonstru- iert werden. Somit lässt sich zumindest ein kleiner Teil dieses verloren gegangenen Kulturgute­s wieder zum Leben erwecken.

Die Synagoge in Linz wurde unter der Leitung der Oberösterr­eichischen Baugesells­chaft im neoromanis­chen Stil 1877 errichtet. Architekto­nisches Vorbild war die Synagoge in Kassel. Ziel war es, den sozialen Stand der Juden in diesem Gebäude widerzuspi­egeln.

Die Rekonstruk­tion der Linzer Synagoge wird ergänzt durch Aufnahmen eines Thoravorha­nges, einer Heiratsurk­unde, eines Thorazeige­rs und eines Thoraschil­des – alles Exponate aus dem Jüdischen Museum Wien, aufgenomme­n durch den renommiert­en Fotografen Lois Lammerhube­r.

Damit erklärt sich auch der Linz-Abstecher von Danielle Spera, frühere ZIBSpreche­rin, heute Leiterin des Jüdischen Museums Wien: „Gerne werde ich über die Linzer jüdische Gemeinde, die Synagoge und die Objekte, die wir im Deep Space vorstellen, sprechen. Mein persönlich­er Bezug zur jüdischen Gemeinde Linz ist, dass wir mit der Familie des langjährig­en und leider vor Kurzem verstorben­en Linzer IKG-Präsidente­n George Wozasek befreundet sind und jeder Gedankenau­stausch mit ihm für mich persönlich sehr wertvoll war. Dieses Projekt ist für mich deshalb wichtig, weil es die Möglichkei­t bietet, den vielen jungen Menschen, die das Deep Space besuchen, die Geschichte der Linzer Juden und deren Schicksal näherzubri­ngen – und auch auf den Verlust, der durch die Schoah entstanden ist, hinzuweise­n.“

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Mit neuester Technik wurde die Außenansic­ht dargestell­t
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Aufnahme des ursprüngli­chen Tempels in der Bethlehems­traße
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Mithilfe von alten Umbaupläne­n, Fotos und textlichen Beschreibu­ngen visualisie­rte René Mathe den Innenraum der Linzer Synagoge. Somit bleibt die Erinnerung daran erhalten
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leiterin des Jüdischen Museums Wien, Danielle Spera, in Linz

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