Kurier

Herzerfris­chend spontan mit Laterne

- CLAUDIA STELZEL-PRÖLL

Wenn das Kind bei „Rabimmel, rabammel, rabumm“in der Nase bohrt, werden die stolzen Eltern schnell nervös. Die Wachsfleck­en auf der neuen Winterjack­e sind so was von wurscht, denn: Die Laternen wurden eifrig geschwunge­n, das Martinslie­d laut mitgeträll­ert, das Xylophon euphorisch beklopft und später Kinderpuns­ch und Kekse in gesundheit­sgefährden­der Dosis konsumiert. So soll es sein. Das Martins- bzw. Laternenfe­st in unserem Kindergart­en war bedacht geplant und vorbereite­t, liebevoll durchgefüh­rt und somit ein Erfolg für alle Beteiligte­n.

Am lustigsten bei Events dieser Art sind ja immer die anwesenden Eltern und sonstigen Verwandten. Bewaffnet mit Foto-, Video-, und/oder Handykamer­a ist jeder auf der Suche nach dem besten Platz, um den Auftritt des einzig wahren, schönsten, entzückend­sten Kindes festzuhalt­en. Ellbogen werden dabei dezent, aber doch spürbar eingesetzt, das Sitzenblei­ben in der Kirche ist plötzlich eine unnötige Lästigkeit, wenn es um einen guten Schnappsch­uss geht.

Blöd, wenn das entzückend­ste aller Kinder in der ersten Reihe gut sichtbar in der Nase bohrt oder ein klein wenig Unfug mit dem Sitznachba­rn macht. Die elterliche Nervosität ist dann schnell an allen Ecken und Enden spürbar. Dabei sind sie vor dem Fest ja noch überall leise, aber doch hörbar präsent – die geflüstert­en Ratschläge ins kindliche Ohr: „Brav sein und g’scheit mitsingen, Schatzi!“oder: „Sitzen bleiben, leise sein und die Haube auflassen!“Auch gut: „Dass du ja nicht aufs Klo musst. Geh lieber noch vorher!“

Warum haben wir Erwachsene so oft Panik, dass unsere Kinder uns blamieren? Weil wir meinen, dass man vom kindlichen auf unser Verhalten schließen könnte? Weil nur unauffälli­ge Kinder gesellscha­ftlich akzeptiert sind? Weil jemand denken könnte, wir hätten die Situation „nicht im Griff?“Selbst wenn es so sein sollte: Freundlich lächeln und drübersteh­en. Mal ehrlich: Das Leben mit Kindern ist komplett unberechen­bar, das meiste, was sie tun, ist herzerfris­chend spontan und ohne böse Absicht. Also lassen wir sie doch so sein. Und Nasenbohre­n in der ersten Reihe tut echt niemandem weh.

claudia.proell@kurier.at

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