Kurier

Warten auf Daria.

Wie das Leben mit Hund die Automatism­en des Menschen verändert

- VON BIRGIT BRAUNRATH

Neulich trug ich zu viele gut gefüllte Teller und Schüsseln gleichzeit­ig von der Küche zum Esstisch. Mitten drin – ein kleiner Stolperer. Der erinnerte mich wieder einmal an den alten Besserwiss­er-Spruch: „Wenn du in Eile bist, lass dir Zeit!“

Denn Teile des Transportg­uts landeten noch vor Erreichen des Zielorts auf dem Fußboden. Darunter etwas Fischsalat, den eine bewegungsh­ungrige Gabel katapultar­tig durch die Luft geschleude­rt hatte.

Interessan­terweise dachte ich beim Anblick der fliegenden Gabel nur über den Spruch nach, nicht jedoch über das Naheliegen­de, nämlich ein Putztuch zu holen.

Als mir dieser Umstand bewusst wurde, spürte ich wieder einmal deutlich, wie mich das Leben mit Daria verändert hat. Früher wäre ich losgefetzt, um das Putzzubehö­r parat zu haben, ehe der fliegende Fischsalat das heilige Parkett erreicht hat.

Heute ist mein Automatism­us ein anderer: Ich ignoriere das Ereignis und gehe weiter, als wäre nichts geschehen. Wieso? Weil ich, wie selbstvers­tändlich, warte, was Daria übrig lässt, ehe ich den Boden wische.

Denn dieser mein Hund, der so berechenba­r ist, wenn es um die Verfügbark­eit von – auch nur halbwegs – Essbarem geht, soll auch seine kleinen, verstohlen­en Freuden im Leben haben: die Erfolgserl­ebnisse, etwas abgestaubt zu haben, das nicht für ihn bestimmt war – jeder kennt das.

Doch diesmal war etwas anders als sonst. Daria kam nicht. Eine besorgnise­rregende Erkenntnis. Denn Daria hat neben den handelsübl­ichen fünf Sinnen einen Sechsten eingebaut – den für das Aufspüren bodennaher Lebensmitt­eln.

Auch drei Zimmer weiter hört, spürt und riecht sie, dass beim Backen ein paar Bröseln runterfall­en, dass ein (für Sekunden) unbeaufsic­htigtes Speckbrot auf dem Couchtisch liegt, dass der volle Einkaufsko­rb auf dem Küchenbode­n steht.

Wo also blieb sie? Selbst mein Gurkencarp­accio hätte sie zumindest einer wohlwollen­den Prüfung unterzogen. Und Fisch startet üblicherwe­ise den Turbo in ihr. Irgendetwa­s stimmte nicht. Da fiel mir ein, dass Mann und Hund sich gerade auf Abendrunde begeben hatten. – Schweren Herzens putzte ich ohne Darias Unterstütz­ung den Boden und schwor mir, nur noch dann zu patzen, wenn sie zu Hause ist. birgit.braunrath@kurier.at BeagleDari­a

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