Der große Leser-Spieletest
Bald ist Spielefestival, KURIERLeser testen Neuerscheinungen.
Es ist wieder Spielezeit. Nicht nur, weil es draußen kalt ist. Derzeit finden auch die großen Spielefeste statt, bei denen Freunde des gepflegten Brett- oder Kartenspiels ausprobieren können, welche Neuheiten ihnen durch Winterabende helfen. Das legendäre Wiener Fest macht zwar ein Jahr Pause, dafür gibt es das neue Festival „spielespass“(siehe unten rechts).
Der KURIER bat seine Leserinnen und Leser, die besten 25 Neuheiten auszuprobieren und mit eins bis fünf Punkten zu bewerten. Sie waren sehr streng, die Testberichte sind zwar subjektiv, aber sehr aufschlussreich, oft lustig, immer authentisch. Heute zeigen wir die Lesermeinungen zu den Familienund Strategiespielen, am Montag im KURIER (Lebensart) das Beste aus der Kategorie „Party-, Reaktions- und Geschicklichkeitsspiele“, am Dienstag dann „Kinderspiele“.
Auch wenn gerne das Bild der unkommunikativen Gesellschaft gezeichnet wird, spielen Menschen stetig mehr, glaubt Dieter Strehl, Geschäftsführer des Wiener Spieleherstellers Piatnik: „Keine Generation vor uns hat mehr gespielt als wir. Auch die Anzahl der Titel, die auf den Markt drängen, wird immer größer, weil es viel mehr Verlage gibt.“Daneben haben sich mit Smartphone und Tablets spielerische Medien dermaßen in unseren Alltag gepflanzt, dass Spielen immer und überall möglich ist.
Da liegt der Verdacht nahe, der ungebrochene Spieletrend würde vorrangig vom Digitalboom befördert. Stimmt aber nicht: Vor dreißig Jahren gab es 170 Brettspiel-Neuerscheinungen pro Jahr, heute sind es mehrere Tausend. Strehl: „Es hat sich sogar gezeigt, dass die HybridSpiele, bei denen digitale und analoge Komponenten verbunden sind, schlecht angenommen wurden.“Gemeint sind etwa Brettspiele mit CD- oder DVDBegleitung, elektronische Elemente oder zuletzt auch App-Erweiterungen. „Das Tablet oder der Fernseher sind dann neben dem Spielbrett wie eine anonyme Maschine, die sich in die Spielerrunde drängt und zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht.“
Antidigital
Die Menschen schätzen am Brettspiel nämlich die Haptik und dass eine Beziehung zwischen den Spielern entsteht – genau das fehlt in der Welt von WhatsApp und eMail oft. Strehl beobachtet sogar eine solche Sehnsucht im digitalen Kernland: „Der Brettspiel-Umsatz steigt nicht nur im deutschen Sprachraum, der ja traditionell ein Hort der Spielekultur ist. Sondern auch in Amerika, dieser Markt wächst jährlich um zehn Prozent, und am meisten sind gerade die europäischen Spiele mit komplexer, interessanter Struktur gefragt.“Die lange dauern. Die Menschen wollen offensichtlich wieder gemeinsam an den Spieltisch.
Daher verkaufe man Klassi- ker wie Activity als Brettspiel noch immer 50-mal öfter als die App, sagt Strehl. Andere Klassiker wie DKT, heuer übrigens 80 Jahre alt geworden, leben sowieso von der optischen Struktur auf dem Spielbrett.
Apropos Klassiker: Nach Strategie- und zuletzt Lernspielen ist derzeit kein eindeutiger neuer Trend in Sicht. Selbst die Lizenzspiele stagnieren leicht, auch weil „die Harry-Potter-Jahre vorbei sind“, glaubt Strehl. Dazu braucht es immer starke Filmvorlagen, und außer „Star Wars“ist momentan nicht viel da. Der Branchenkenner sieht in Europa – konträr zu Amerika – auch einen Rückgang der komplexen Strategiespiele: „Ich glaube nicht, dass die Zukunft den langwierigen Expertenspielen gehört, sondern den einfachen Partyspielen, die unterhaltsam und leicht zu erfassen sind. Spielerisch eben.“