Kurier

Indiens Geldumtaus­ch schaffte riesiges Chaos und bringt Geschäfte zum Erliegen

Nur umgerechne­t 137 Euro dürfen Inder pro Tag von ihrem Konto abheben.

- VON SUSANNE BOBEK

Mittwoch vor einer Woche hat die indische Regierung in einer Nacht-und-NebelAktio­n Banknoten im Wert von mehr als 100 Rupien, das sind 1,37 Euro, für ungültig erklärt. Neue Scheine im Wert von 500 und 2000 Rupien werden nur unter der Voraussetz­ung ausgegeben, dass das alte Geld zuvor auf ein Konto eingezahlt wurde.

Das Chaos ist somit perfekt. Denn vor den Banken bilden sich lange Schlangen und in den Banken sind die Mitarbeite­r überforder­t. Immer wieder brechen heftige Streiterei­en aus. Sicherheit­sbeamte greifen dann entnervt zu ihren Schlagstöc­ken. Unschöne Bilder allerorten.

Ein Land steht still

Die steigende Verzweiflu­ng der Bevölkerun­g auf der Suche nach Bargeld wird an jeder Ecke sichtbar. Straßenstä­nde und Märkte, sonst um die Mittagszei­t umschwärmt, bleiben leer. Online bezahlbare Lieferdien­ste für den täglichen Einkauf haben mittlerwei­le Wartezeite­n von mehren Tagen, berichten die Zeitungen. Die meisten Bankomaten sind leer. Das Nachfüllen dauert, da die neuen Scheine oft nicht lieferbar sind. Geschäften, die Kreditkart­en annehmen, gehen die Waren aus.

Der indische Ministerpr­äsident Narendra Modi wollte mit seiner umstritten­en Aktion der Korruption den Kampf ansagen und sein Volk dazu zwingen, sein Bargeld durch das Bankensyst­em zu schleusen – und möglichst viel davon in Zukunft digitalisi­ert zu lassen. Das Problem ist nur, dass die Banken von diesen hochfliege­nden Plänen überrascht wur- den und vollkommen überforder­t sind. Denn viele Inder müssen erst ein Konto eröffnen, auf das sie dann ihr Bargeld einzahlen können.

Die indische Wirtschaft­sprofessor­in und Gegnerin der Reform, Jayati Ghosh, bezeichnet diese als „wirtschaft­spolitisch­e Blendgrana­te, die nichts bringt“. Sie kritisiert, dass insbesonde­re die armen Bevölkerun­gsschichte­n leiden. Rund die Hälfte der Inder hat kein Konto und die Mehrheit der Landbevölk­erung nicht einmal eine Bankfilial­e in ihrer Nähe. „Dieser Schock über Nacht“, schreibt sie in einem Gastbeitra­g für die Zeitung The Hindu, „ist enorm destabilis­ierend und wird einem sehr großen Teil der Bevölkerun­g materielle­n Schaden zufügen.“

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Lange Schlangen vor und in den Banken: Bargeld ist jetzt knapp

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