Das Menschenrecht auf Spiel
Spielen und Zugang zum kulturellen Leben sind mehr als nur ein Grundbedürfnis
Sollten es ihm die Erwachsenen eines Tages erlauben, wird Setuam vielleicht einmal Eisenbahnen konstruieren. Seit einer halben Stunde baut sich der dreijährige Bub seine eigene Welt, die er mit einer Lokomotive aus Holz bereist. Seine Mutter freut sich mit ihm.
Ein wenig Spaß, ein wenig Entspannung. Die Familie aus Indien lebt seit einiger Zeit in einem Flüchtlingsheim in Wien-Liesing.
Seit 15 Uhr steht das Spielzimmer im Erdgeschoß des riesigen Komplexes offen. Zwei Mal pro Woche, am Dienstag und Donnerstag, verhelfen Freizeitpädagogen der Kinderfreunde und ehrenamtlich tätige Anrainer den Flüchtlingskindern von Liesing zu ihrem verbrieften Recht: Zwei Stunden lang dürfen sie dann im Rahmen des Projekts Connect in Ruhe unbeschwert spielen.
Bedrohte Rechte
Spielen ist ein Menschenrecht. Darauf wird auch am kommenden Sonntag, dem internationalen Tag der Kinderrechte, aufmerksam gemacht. Die Rechte der Kinder rücken mehr denn je in den Fokus, weil sie in schwierigen Zeiten leicht untergehen. Besonders gilt das für eines der wichtigsten Kinderrechte – jenes auf Zugang zu kulturellem Leben und zum Spiel, verankert im Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention. Das klingt nebensächlich in Zeiten, in denen man über Armutsbekämpfung diskutiert. Ist es aber nicht, betonen Entwicklungspsychologen: Kinder lernen im Spiel, sie schulen dabei Eigenschaften wie Konfliktlösung oder Empathie. Enthält man Kindern das Spiel permanent vor, rächt sich das spätestens im Teenageralter. Das gilt für heimische wie für zugewanderte Kinder – sie sind ja laut Kinderrechtskonvention alle gleich. (siehe rechts)
Bei Flüchtlingskindern geht es zuerst verständlicherweise um eine ordentliche Unterbringung und Nahrung. Das löst aber die Probleme der Traumatisierungen nicht. Spielen schon. Laura Schoch, die seit März dieses Jahres bei den Kinderfreunden das Projekt Connect an mehreren Standorten koordiniert, erzählt, dass die Kinder anfangs mehr neben- bzw. gegen- einander gespielt haben. „Heute agieren sie vermehrt miteinander. Und sie reden mehr miteinander.“Alle haben auch innerhalb kürzester Zeit Deutsch gelernt.
Politische Vorbehalte
So wichtig Spiel für Kinder ist, die flüchten mussten, so umstritten ist die Kinderrechtskonvention gerade in diesem Bereich. Viele Staaten haben den Vertrag nur mit dem Vorbehalt unterschrieben, dass ausländerrechtliche Bestimmungen davon nicht einge- schränkt werden. Unter den Vorsichtigen sind auch Österreich und Deutschland – zu große ist die Sorge, dass Fragen wie Familiennachzug und Abschiebung durch die Konvention betroffen sind.
Abseits der Konvention erklärt Laura Schoch, dass ein Flüchtlingsheim kein lieblicher Ort ist. Daher geht vom Spielzimmer eine besondere Magie aus. Can Tohumcu, Sozialarbeiter bei den in Liesing tätigen Johannitern, pflichtet der Kinderfreundin bei: „Die Kinder haben erkannt, dass sie hier ihre Ruhe haben, dass sie hier etwas machen können, dass sie ernst genommen werden. Daher kommen sie auch.“
Veronika Seethaler, Anrainerin und Mutter von zwei schulpf lichtigen Kindern, kommt regelmäßig vorbei, um ehrenamtlich zu helfen, nicht zuletzt, um den Kindern im Flüchtlingsheim zu ihrem Recht zu verhelfen. Heute spielt sie mit der sechsjährigen Asita ein beliebtes Kartenspiel. Nicht einfach – denn Asita erweist sich als hellwaches, blitzgescheites Mädchen, das in ihrer Heimat Afghanistan nicht aufwachsen darf.
Ruhe im Spielzimmer
Auch Frau Seethaler ist aufgefallen, dass die anfängliche Aufgewühltheit der Kinder aufgrund ihrer Fluchterfahrungen deutlich abgenommen hat. „Im Kindergarten, in der Schule und nicht zuletzt hier im Spielzimmer können sie zu mehr Ruhe kommen. Sie sind weniger emo
tional als noch am Anfang, spielen jetzt öfters auch in der Gruppe.“Sie bedauert nur, dass das Spielzimmer nur zwei Mal pro Woche benützt werden kann.
An einem Tisch basteln Mädchen und Buben unter Anleitung der jungen Freizeitpädagogin Marica Strbac sogenannte Traumfänger. Es beeindrucken ihre geschickten Hände, ihr Durchhaltevermögen. Einige sind zwei Stunden mit ihrem Bastelstück beschäftigt. Daher beschließen die Freunde der Kinder, auch an diesem Nachmittag noch eine halbe Stunde länger zu bleiben.
Und ja, wer den Kindern das Recht auf Spielen bieten möchte, kann (gerne auch mit eigenen Kindern) vorbeischauen: www.connect.or.at