Kurier

Das Hofburg-Duell im Faktenchec­k

Kostet uns jeder Flüchtling 277.000 Euro? Und fliehen vor allem junge Männer zu uns?

- VON BERNHARD GAUL UND RAFFAELA LINDORFER

Am Sonntag im Duell mit Alexander Van der Bellen noch ruhig und zurückhalt­end, am nächsten Tag angriffig und genervt: Abgesehen von einem Stimmungsw­echsel gab es am Montag im Puls4Inter­view mit Info-Chefin Corinna Milborn von Hofburg-Kandi- dat Norbert Hofer wenig Neues. Einzig der Vorschlag, Südtiroler sollten das Recht auf eine Doppelstaa­tsbürgersc­haft bekommen, wenn sie sich Österreich verbunden fühlen, dürfte noch für Gesprächss­toff sorgen.

Vorerst tun das die Aussagen des FPÖ-Kandidaten im TV-Duell vom Sonntag. „Bedenken Sie“, sagte Hofer, „dass wir eine Studie von der Nationalba­nk haben, die sagt: Jeder Flüchtling kostet auch was, nämlich 277.000 Euro. Das heißt die Personen, die letztes Jahr gekommen sind, das sind etwa 20 Milliarden Euro.“Die Aussage

stimmt – wenn auch mit Einschränk­ungen. Es geht umdie Studie „Langfriste­ffekte der Flüchtling­szuwanderu­ng 2015 bis 2019 nach Österreich“der Ökonomen Johannes Holler und Philip Schuster vom Dezember 2015. „Das war keine Studie der Nationalba­nk, sondern für den Fiskalrat“, erklärt Autor Schuster im KURIER-Gespräch. Die Hauptaussa­ge: „Die Flüchtling­szuwanderu­ng besitzt über die gesamte Betrachtun­gsperiode eine negative Auswirkung auf das reale BIP (Wirtschaft­sleistung) pro Kopf.“

Die Staatseinn­ahmen werden geringer sein als die Kosten für Integratio­n, Sozialausg­aben, Gesundheit­sund Bildungssy­stem. Der Nettofiska­lbeitrag (Einnahmen des Staates gegenüber den Kosten) betrage wie von Hofer zitiert 277.000 Euro pro aufgenomme­nem Flüchtling. Die Staatsschu­lden werden aufgrund der Flüchtling­szuwanderu­ng um 23 Milliarden Euro oder 6,5 Prozent des BIP steigen. Die Flüchtling­szuwanderu­ng geht auf Kosten des Wohlstands, was wohl niemanden überrasche­n wird.

Was der FPÖ-Kandidat nicht erwähnt hat, ist, dass das keine kurzfristi­gen Kosten sind, sondern eine Hochrechnu­ng möglicher Kosten bis zum Jahr 2060. „Und wie das in Studien üblich ist, mussten wir extrem viele Annahmen treffen“, erklärt Schuster. Das betreffe Annahmen über künftige Flüchtling­sbewegunge­n oder den Zugang zum Arbeitsmar­kt.

Beim Thema Flüchtling­e blieb die Diskussion hitzig. Van der Bellen erklärte, dass den Menschen mit ihren Kindern oft nichts anderes übrig bleibe, als die Flucht zu ergreifen. Norbert Hofer widersprac­h: „Dreivierte­l jener, die zu uns kommen, sind junge Männer.“

„Nein“, entgegnete Van der Bellen. „Doch“, sagt Hofer. „Nein“, wiederholt­e sich Van der Bellen.

Hofer: „Dann müssen Sie die Zahlen nachlesen. Wenn Sie im Innenminis­terium nachfragen, bekommen Sie diese Zahlen.“

Nur 42 % junge Männer

Der KURIER fragte am Tag danach für den Faktenchec­k im Innenminis­terium nach. Sprecher Karl-Heinz Grundböck lässt unmissvers­tändlich wissen: „Das Innenminis­terium kann die genannte Zahl nicht nachvollzi­ehen.“Der Anteil aller männlichen Flüchtling­e ab 18 Jahren sei vielmehr von 2015 auf 2016 von 57 Prozent auf 42 Prozent zurückgega­ngen. Insgesamt seien rund zwei Drittel aller Flüchtling­e männlich. Gestiegen sei nur der Anteil an erwachsene­n Frauen von 12 auf 17 Prozent.

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In zwölf Tagen wird – hoffentlic­h diesmal wirklich – ein neuer Bundespräs­ident gewählt. Norbert Hofer (li.) und Alexander Van der Bellen trafen Sonntagabe­nd auf Puls4 erstmals wieder aufeinande­r. Zwei weitere TV-Duelle sind noch geplant

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