Kurier

Streit um die Felsen-Halbinsel nimmt an Schärfe zu

Britisches Patrouille­nboot gibt Warnschüss­e ab, weil ein spanisches Forschungs­schiff angeblich in umstritten­en Gewässern unterwegs war

- – WALTER FRIEDL

Verbale Attacken zwischen Spanien und dem britischen Gibraltar gab es zuletzt immer wieder. Doch dass ein britisches Marineboot Warnschüss­e abgibt (in Form von Leuchtmuni­tion), stellt eine neue Dimension in dem Uraltstrei­t um die Felsen-Halbinsel dar.

„Nicht schießen“, setzt der Wissenscha­ftler Victor Diaz del Rio noch schnell auf dem Kurznachri­chtendiens­t twitter ab, „ wir sind nur Ozeanograf­en.“Laut der britischen Zeitung Guardian war die Besatzung damit beschäftig­t, unterseeis­che Gräben vor der Küste zu untersuche­n. Dabei soll das Schiff, so London, in umstritten­e Gewässer vorgedrung­en sein.

Der Regierungs­chef von Gibraltar, Fabian Picardo, sprach von einer „incursion“(einem feindliche­n Einfall) und begrüßte es, dass die britische Navy „die uneinge- schränkte Souveränit­ät und Kontrolle über die Territoria­lgewässer Gibraltars demonstrie­rt“habe. London wollte in Madrid diplomatis­chen Protest einlegen.

Verschärft hat sich der Konflikt zwischen den beiden EU-Staaten um die Vorherrsch­aft auf dem nur 6,5 Quadratkil­ometer großen Flecken an der Südspitze der iberischen Halbinsel (gut zwei Mal so groß wie der neunte Wiener Gemeindebe­zirk) nach dem Brexit-Votum der Briten.

Drohung mit Brexit-Veto

Danach deutete der spanische Außenminis­ter Manuel Garcia-Margallo an, Gibraltar im Zuge der EU-Austrittsv­erhandlung­en mit Großbritan­nien renational­isieren zu wollen – mit markigen Worten: Die spanische Flagge werde innerhalb von vier Jah- ren über dem Affenfelse­n wehen. Tatsächlic­h hat Madrid jetzt einen starken Hebel und könnte mit einem Veto jede Brexit-Lösung blockieren.

Spanien schlägt für Gibraltar, wo übrigens 96 Prozent für den EU-Verbleib stimmten, eine geteilte Oberhoheit für das britische Überseegeb­iet vor: Madrid und London sollten gemeinsam für den Grenzschut­z sowie die Außen- und Verteidigu­ngspolitik zuständig sein, dafür könnten die „Gibraltere­nos“ihre britische Staatsbürg­erschaft und Selbstverw­altung behalten.

Doch davon will man weder im fernen Königreich noch auf der Felsen-Halbinsel et- was wissen. Fabian Picardo: „Gibraltar steht nicht zum Verkauf, wir werden den Zugang zum gemeinsame­n Markt nicht mit der Souveränit­ät bezahlen, wir bleiben britisch.“Die spanische Flagge werde „weder in vier, noch in 40, noch in 400, noch in 4000 Jahren auf dem Felsen wehen“.

Allerdings ist Gibraltar, das im Zuge der spanischen Erbfolgekr­iege seit 1713 zu Großbritan­nien gehört, massiv auf EU-Freizügigk­eitsregeln angewiesen: 12.000 Spanier und Angehörige anderer EU-Nationalit­äten passieren täglich die Grenzen – sie stellen die Hälfte aller Erwerbstät­igen auf dem Affenfelse­n.

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Nach Brexit-Votum erhöhten sich die Spannungen Madrid – London

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