Kurier

„Albtraum aus dem Unterbewus­stsein“

Der Franko-Kanadier Denis Villeneuve drehte mit Amy Adams den hypnotisch­en Sci-Fi-Thriller „Arrival“

- VON ALEXANDRA SEIBEL

Denis Villeneuve ist erschöpft. Sein Leben besteht derzeit daraus, immer zwei Dinge gleichzeit­ig zu machen. So arbeitet er gerade an „Blade Runner 2049“, der lang erwarteten Fortsetzun­g zu Ridley Scotts Kultklassi­ker; gleichzeit­ig muss er sein neues, intensives Sci-Fi-Drama „Arrival“(Kinostart: Freitag) bewerben, denn beide Filme entstanden parallel. Auch davor arbeitete der Franko-Kanadier mit dem deutlich hörbaren QuebecAkze­nt im Akkord: Nacheinand­er lieferte er als Regisseur so akklamiert­e Filme wie das düstere Folter-Drama „Prisoners“mit Hugh Jackman, den Drogenthri­ller „Sicario“mit Emily Blunt – und nun den hypnotisch­en Sci-FiThriller „Arrival“mit Amy Adams.

„Arrival“basiert auf einer Kurzgeschi­chte von Ted Chiang (siehe rechts unten) und erzählt von einer Alien-Landung auf der Erde. Die Aliens verständig­en sich mit fremdartig­en Schriftzei­chen, die eine Linguistin (gespielt von der famosen Adams) für das US-Militär entziffern soll. Von der erfolgreic­hen Kommunikat­ion mit den langbeinig­en Monstern hängt der Weltfriede ab.

Ein Gespräch mit Denis Villeneuve über „E.T.“und den Look des Albtraums. KURIER: „Arrival“ist ein ungewöhnli­cher Sci-Fi-Thriller: Er beschäftig­t sich mit Sprache und ist sehr intellektu­ell; er erzählt keine Liebesgesc­hichte im herkömmlic­hen Sinn, er hat keine Kampfszene­n – und dafür eine weibliche Hauptfigur. Denis Villeneuve: Die Kurzgeschi­chte war sogar noch radikaler. Der Drehbuchau­tor brachte eine dramatisch­e Struktur in die Geschichte, aber ich habe dann doch versucht, mich wieder näher an das Original heranzutas­ten. Denn gerade das fand ich ja so erfrischen­d: Dass die Geschichte so unvorherse­hbar verläuft und trotzdem einen tiefen Sinn ergibt. Ich möchte im Kino überrascht werden und nicht immer schon im Vorhinein wissen, was als Nächstes passiert. Derzeit fühlt es sich für mich so an, als würden in Hollywood Filme von Maschinen oder Computern gemacht werden: Ein Film sieht aus wie der andere. Apropos Aussehen: Was hat den Look der Aliens inspiriert?

Vom Buch wissen wir, dass sie Heptapods, also symmetrisc­he Wesen mit sieben Beinen sind. Ich habe sie mir als Abkömmling­e von Seesternen vorgestell­t. Mit Carlos Huante, der auch schon mit Ridley Scott zusammenar­beitete, habe ich monatelang über der Erscheinun­g der Aliens gebrütet. Ich wollte, dass sie wie ein Albtraum aussehen, der aus unserem Unterbewus­stsein aufsteigt und an den Tod erinnert. Und wissen Sie, was die größte Überraschu­ng war? Niemand hat mich aufgehalte­n. Keiner hat mich gezwungen, ein Alien zu entwerfen, das Kullerauge­n und ein freundlich­es Lächeln wie E.T. hat. Die Aliens kommunizie­ren mit kreisrunde­n Zeichen. Es geht um das Konzept von Zeit.

Das Motiv der Zirkularit­ät spielt im Buch eine wichtige Rolle. Weiters wollten wir, dass die Schriftzei­chen komplex und albtraumha­ft aussehen – als würden sie, wie die Aliens, aus unserem Unbewusste­n auftauchen. Unser Produktion­sdesigner entwarf ein ganzes Wörterbuch für diese Fantasiesp­rache. Das war hilfreich, weil wir im- mer wieder nachschaue­n konnten, was zum Teufel alles zu bedeuten hat. Sie arbeiteten erstmals mit dem afro-amerikanis­chen Kameramann Bradford Young zusammen.

Ja, er ist großartig. Er arbeitet am liebsten nur mit natürliche­m Licht. Und er ist jemand, der, so weit es irgendwie geht, das Licht reduziert und dabei an die Grenzen der technische­n Möglichkei­ten geht. Wenn er filmt, ist es am Set finster wie in einer Höhle, und die Leute stoßen andauernd zusammen. Das ist kein Scherz. Er erzeugt dabei eine ganz seltsame Atmosphäre, eine Art Zeitalter der Finsternis. Amy Adams spielt eine Mutter, die mit dem Verlust ihres Kind umgehen muss.

Ja, ihre Mutterscha­ft ist wichtig, aber wichtig ist auch ihr Verhältnis zum Tod. Die Art und Weise, wie sie das Leben und den Tod gleicherma­ßen akzeptiert, darin liegt für mich die Bedeutung des Films. Sie sind einer der wenigen erfolgreic­hen Nicht-Amerikaner in der Hollywood-Filmindust­rie. Wollten Sie immer dorthin?

Ganz im Gegenteil. Ich habe viele gute Filmemache­r dort scheitern sehen. Aber wenn man Glück hat, ist es fantastisc­h. Denn die Mittel, die dort zur Verfügung stehen, sind schwer zu überbieten.

 ??  ?? Amy Adams versucht als Linguistin, Aliens, die auf der Erde gelandet sind, die menschlich­e Sprache beizubring­en: „Arrival“
Amy Adams versucht als Linguistin, Aliens, die auf der Erde gelandet sind, die menschlich­e Sprache beizubring­en: „Arrival“
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Höchst erfolgreic­h: Regisseur Denis Villeneuve (49)

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