Ein Science-Fiction-Phänomen
Ted Chiang schrieb die Vorlage zum Film „Arrival“
Ted Chiang braucht nur ein paar Seiten, um den Leser aus dem Gleichgewicht zu bringen, und zwar nachhaltig.
„Die Evolution menschlicher Wissenschaft“etwa, eine seiner wenigen erschienenen kurzen Geschichten, ist ein trockener Text, wie er am Beginn einer wissenschaftlichen Publikation stehen würde. Eine Absichtserklärung zu kommender Forschung.
Und gleichzeitig ein Abgesang auf die Menschheit. Es ist der Aufruf menschlicher Wissenschaftler, nicht aufzugeben, selbst weiter wissenschaftlich tätig zu sein, obwohl wir längst nicht mehr verstehen, was die Meta-Menschen erforschen. Die sind quasi der nächste Schritt in der Evolution. Und sie wis- sen Dinge über die Welt, bei denen die Menschen nicht einmal die Frage verstehen. Aber, so der Aufruf, zumindest am Erfassen dieser Fragen müssen die Menschen doch dranbleiben.
Es ist eine erschreckende Zukunftsvision u. a. zur künstlichen Intelligenz, die ganz nah am Fleisch schnei- det – wie vieles von dem Wenigen, das Chiang (Jahrgang 1967) veröffentlicht hat.
Der US-Autor ist ein Science-Fiction-Phänomen: Eine Kurzgeschichte pro Jahr (!) veröffentlicht er. Und ziemlich jede ist eine Perle. „Die Geschichte deines Lebens“, Vorlage zu „Arrival“, etwa, die auf berührende Weise Zukunft und Vergangenheit auflöst. Und bei der der typische Science-FictionImpuls, gegen Aliens gleich zu kämpfen, als irrwitzig vorgeführt wird. Oder „Verstehen“, bei dem ein Mann beginnt, die Welt zu verstehen – und was das bedeutet. Es werden, so lässt sich prognostizieren, weitere Filme nach Chiang-Texten gedreht werden. Zum Glück!