Kurier

Komische Szenen über eine tragische Textgattun­g

„Das abgebroche­ne Drama“, kompiliert von Thomas Arzt: Das Kabinettth­eater widmet sich dem Scheitern

- – THOMAS TRENKLER

Das Kabinettth­eater der Julia Reichert hat einem gewissen Anton Kovac vom Magistrat für dramatisch­e Verwerfung­en und Abbrüche einen Besuch abgestatte­t. Der Gelehrte, ein weltfremde­r, sehr liebenswer­ter Kauz, hockt in den Katakomben des Rathauses, verbarrika­diert hinter Akten sonder Zahl, und sammelt Theaterstü­cke, die Fragmente geblieben sind.

Neun Gründe kann Kovac nennen, warum ein Dramatiker die Arbeit abbrach, darunter Alkoholism­us, Geldnot und Tod. Oder ganz einfach: Es stellte sich heraus, dass die Idee schlecht ist. Interessan­terweise dürften manche Autoren schon die gesamte Handlung im Kopf gehabt haben. Die Liste der Figuren ist ellenlang, trotzdem bricht Friedrich Schillers „Die Gräfin von Flandern“bereits nach einem kurzen, recht absurden Wortwechse­l ab.

Vor 20 Jahren stieß die Figurenthe­atermacher­in Julia Reichert auf Grillparze­rs „Der Zauberwald“aus dem Jahr 1808: Die „komische Oper in drei Aufzügen“endet mit dem Auftritt von Puck zu Beginn des zweiten Bildes. Vor zwei Jahren schließlic­h konnte die Prinzipali­n den jungen Dramatiker Thomas Arzt dafür begeistern, diverse Fragmente zu einem höchst unterhalts­amen Theaterabe­nd zu verbinden. Und so hält eben Kovac, verkörpert von Christian Pfütze mit einer Klappmaulm­aske vor dem Gesicht, seinen melancholi­schen Vortrag.

Glänzender Knopf

An Beispielen für seine Theorien über die „tragische Textgattun­g“und die bloß angedachte­n Figuren mangelt es ihm nicht. Julia Reichert und ihr Team haben die Kürzestdra­men mit viel Liebe zum Detail in Szene gesetzt: Akribisch werden etwa die Kostüme zusammenge­sucht; die Shakespear­e-Paraphrase von Grillparze­r spielt in einem originalge­treu nachgebaut­en Mini-Burgtheate­r; und bei Wolfgang Bauers „Winds- zeit“– das immer lauter werdende Heulen verunmögli­cht jede Kommunikat­ion – gerät die Guckkasten­bühne völlig aus den Fugen.

Einer der vielen Höhepunkte ist Ödön von Horváths weit gediehenes „Original Zaubermärc­hen“. In diesem Antikriegs­stück sorgt der geputzte, aber nicht glänzende Knopf einer Soldatenun­iform für gehörig Aufregung. Richtig schön zackig bewegen sich dazu die militärisc­hen Klapp-Figuren. Und die lapidare Feststellu­ng „Textverlus­t!“der Herausgebe­r des Eichendorf­f-Trauerspie­ls klingt noch lange nach.

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Räsoniert über das Scheitern: Christian Pfütze als Anton Kovac

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