Kurier

„Echte Hoffnung“für Krebskrank­e

Wie mit maßgeschne­iderten Therapien bis 2020 mehr Patienten länger leben oder sogar geheilt werden könnten.

- VON ERNST MAURITZ (TEXT), CHRISTA SCHIMPER (GRAFIK)

„2020 werden viele heute noch tödliche Krankheite­n chronisch sein – daran glaube ich.“

Greg Simon

US-Initiative „Cancer MoonShot“

„Ich kenne die Vorwürfe, dass wir Patienten falsche Hoffnungen machen. Aber diesen Aussagen widersprec­he ich: Wir können vielen echte Hoffnung geben.“Greg Simon, 64, ist der verantwort­liche politische Direktor für eine der größten US-Forschungs­initiative­n in der Ära von Präsident Barack Obama: Der Kampagne „Cancer Moonshot 2020“(in Anlehnung an das US-Weltraumpr­ogramm). Und er war dieser Tage einer der Hauptredne­r bei einer Tagung zum Thema „Personalis­ierte Medizin“in Boston, USA. Bis 2020 sollen – auch dank dieser Forschungs­initi- ative – zahlreiche neue, gezielt wirksame Krebsmedik­amente zugelassen sein. Die Forschung soll durch öffentlich und privat finanziert­e Studien mit 20.000 Patienten vorangetri­eben werden. Initiator ist Noch-Vizepräsid­ent Joseph R. Biden. Ihm ist die Krebsforsc­hung ein persönlich­es Anliegen: 2015 starb sein Sohn Beau, 46, an einem Gehirntumo­r.

Kritiker argumentie­ren unter anderem, dass viele der neuen Therapien die durchschni­ttliche Lebenszeit der Patienten nur um wenige Monate verlängern, die hohen Behandlung­skosten auf Dauer nicht finanzierb­ar seien und die Effekte für die Patienten zu positiv darge- stellt werden. Simon entgegnet: „Auch eine 1000-MeilenReis­e beginnt mit einem Schritt. Wenn wir nicht lernen, wie wir drei oder sechs Monate Lebenszeit dazugewinn­en können, werden wir auch nicht lernen, die Lebenszeit deutlich länger auszudehne­n.“

Und in manchen Fällen könne eine Verlängeru­ng um drei Monate im Vergleich zu bisher ein großer Zeitgewinn sein: „ Das heißt aber nicht, dass dies ein Vermögen kosten muss.“

Simon – er hat ein Jahr in Wien studiert – ist selbst an Blutkrebs erkrankt, an chronische­r lymphatisc­her Leukämie: „Vor zwanzig Jahren war die Behandlung nicht einfach, heute kann diese Leukämie-Form sehr gut therapiert werden. Sie ist chronisch geworden.“

Bei Hirntumore­n, Bauchspeic­heldrüsen-, Leber- und auch anderen Krebsarten sei man hingegen erst dabei, etwas zu finden, was das Leben zumindest um einige Zeit verlängert – „und wir beginnen erst jetzt zu verstehen, wie das funktionie­ren könnte“. Simon zum KURIER: „Ich glaube, dass im Jahr 2020 viele heute noch tödliche Krankheite­n chronisch sein werden – und viele chronische Krebserkra­nkungen wie meine wird man wahrschein­lich heilen können.“ Eine „Therapie-Armee“Und Simon begründet seine Zuversicht: „Als 1971 Präsident Richard Nixon die „War on Cancer“-Initiative (Krieg gegen den Krebs-Initiative, Anm.) ausrief, hatten wir überhaupt keine Ahnung, was Krebs eigentlich ist. Damals starteten wir einen Krieg, aber wir hatten keine Armee, keine Waffen, keine Strategie. Heute haben wir eine Armee, aber wir brauchen jemanden, der diese Streitkräf­te mobilisier­t und zusammenzi­eht.“

Ob auch die künftige USRegierun­g der Krebsforsc­hung so einen Stellenwer­t einräumen wird? Simon: „Es würde zwar alles dafür sprechen, auch auf Regierungs­ebene das Thema weiter zu verfolgen, aber wichtiger sind der private und der akademisch­e Bereich. Alleine seit Ankündigun­g der Moonshot-Initiative im Jänner 2016 haben sich 50 bis 60 private Aktionen gebildet – unterstütz­t von Firmen, Universitä­ten, Stiftungen. Die US-Krebsgesel­lschaft hat ihr Forschungs­budget verdoppelt. Alle haben ein Ziel: Doppelt so viel in der halben Zeit zu erreichen.“

Simon betont auch die generelle Bedeutung des Lebensstil­s (der aber nur auf einen Teil der Krebserkra­nkungen Einfluss hat): „Arianna Huffington (Chefredakt­eurin der Online-Zeitung The Huffington

Post) hat gesagt, wir behandeln unsere Mobiltelef­one besser als uns selbst. Wenn der Akku des Smartphone­s leer ist, laden wir ihn auf. Wenn unser Akku leer ist, machen wir weiter wie bisher und trinken mehr Kaffee. Deshalb: Gehen Sie mit sich selbst so um, wie sie mit ihrem Telefon umgehen.“

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria