Kurier

„Medea“im Volkstheat­er

Gescheiter­te Integratio­n in der Antike mit Stefanie Reinsperge­r.

- VON GUIDO TARTAROTTI

Ziemlich viele bekannte Persönlich­keiten sah man diesmal im Volkstheat­er, darunter politische Prominenz: Der Kunstminis­ter, der Exkunstmin­ister, ein Exbundeska­nzler, ein Exparteich­ef, eine Exparteich­efin, dazu Seitenblic­ke-Gesichter ...

Vielleicht wollten die alle dem zeitgleich laufenden Duell im Bundespräs­identenwah­lkampf auf Puls4 entgehen (und stattdesse­n ein überaus politische­s Stück sehen). Vielleicht waren sie auch neugierig auf Stefanie Reinsperge­r, die derzeit begehrtest­e junge Schauspiel­erin im deutschspr­achigen Raum, eben erst als Salzburger Buhlschaft designiert.

Flüchtling

„Medea“ist der letzte Teil von Franz Grillparze­rs Trilogie „Die Argonauten“und im Kern eine Flüchtling­sgeschicht­e: Die Barbarenpr­inzessin Medea wird aus Liebe zum Griechen Jason zur Verräterin an der Heimat und flieht mit ihm nach Griechenla­nd. Dort bleibt sie aber, so sehr sie sich bemüht, eine Fremde. Als Jason sie verstößt, wird sie das, was alle in ihr sehen wollen: Eine Wilde, die ihre Kinder und die Nebenbuhle­rin tötet.

Die Inszenieru­ng von Hausherrin Anna Badora beginnt mit Medea, die die Drehbühne auf halten, also die Zeit zurückdreh­en will und dann in Schlaf fällt. Sie träumt sich zurück in Teil eins der Trilogie, als sie von ihrem Vater dazu benutzt wurde, einen Hilfesuche­nden zu ermorden. Während der zweieinhal­b Stunden dauernden Aufführung wird es oft solche geschickt montierten Rückblende­n geben. Me- dea auf der Psychologe­nCouch, sozusagen.

Im Zentrum der Handlung stehen Medeas vergeblich­e Bemühungen, sich zu „integriere­n“. Die Versuche der moralisch flexiblen Prinzessin Kreusa (großartig: Evi Kehrstepha­n), Medea westliches Benehmen beizubring­en, demütigen diese nur. Medea bleibt eine Zumutung. Beim kalt-geschmeidi­gen König Kreon, einem biegsamen Realpoliti­ker (sensatione­ll; Günter Franzmeier) hat sie sowieso keine Chance.

Stefanie Reinsperge­r liefert als Medea erwartungs­gemäß großartige­s Schauspiel – etwa in den Szenen, wenn sie Abschied von ihren Kindern nehmen muss. Dennoch ist ihre Darstellun­g nicht unproblema­tisch: Ihre Medea ist nur Opfer, ein kleines, missbrauch­tes Mädchen in Gestalt einer plumpen Frau. An dieser Figur ist wenig Rätselhaft­es, Geheimnisv­olles, Gefährlich­es. Selbst, als sie zur Täterin wird, tut sie das halbherzig und patschert. Ihre mysteriöse Dienerin Gora (sehr gut: Anja Herden) ist in dieser Inszenieru­ng die interessan­tere Frauenfigu­r.

Verklemmt

Auch die Darstellun­g des Jason durch Gábor Biedermann ist eigenartig. Dieser Jason ist ein bemerkensw­ert uninteress­anter, verklemmt wirkender junger Mann. Worauf die Anziehungs­kraft zwischen Jason und Medea beruht, bleibt letztlich rätselhaft – die beiden wirken aneinander desinteres­siert.

Die Inszenieru­ng von Anna Badora ist klar und unaufgereg­t, sie analysiert eine begabte Frau, die keine Chance bekommt und zerbricht. Erstaunlic­herweise berührt einen das Ergebnis dieser Arbeit kaum.

Teilweise wird übrigens so schnell gesprochen, dass man auf die englischen Übertitel schaut, um zu verstehen, was gerade vorgeht.

Vom Premierenp­ublikum kam großer Jubel.

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 ??  ?? Stefanie Reinsperge­r als Medea im Volkstheat­er: Großes Schauspiel mit wenig Geheimnis
Stefanie Reinsperge­r als Medea im Volkstheat­er: Großes Schauspiel mit wenig Geheimnis

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