Kurier

FP vernadert VdB-Vater als Nazi

Archive widerlegen Vorwurf, mit Nazis geliebäuge­lt zu haben

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Der Vorhalt ist neun Jahre alt. Und doch taugen die Gerüchte der FPÖ und ihren Sympathisa­nten für eine neuerliche Schmutzküb­elkampagne.

Im Jahr 2007, Van der Bellen ist Grünen-Chef, interessie­rt sich die Öffentlich­keit kurz für seinen Vater. Der damalige Tiroler Landeshaup­tmann Herwig Van Staa ließ einen Journalist­en wissen: „Wenn eine Familie in der Nazizeit von Estland nach Nazideutsc­hland flüchtet und dann in der Folge ins Kaunertal kam, kann sie das nur unter der Duldung des Systems oder dem Schutz eines mächtigen Nazis gemacht haben.“Einige Berichte erscheinen daraufhin, das Thema verschwind­et rasch wieder aus den Medien – bis zu diesem Wochenende.

Die FPÖ Kapfenberg vergleicht Van der Bellens Werbesujet mit Hitler-Bildern auf Facebook, FP-Gemeinderä­tin Ursula Stenzel wiederholt im TV, es gebe „Vermutunge­n, dass seine Eltern zumindest geliebäuge­lt haben mit den Nazis“.

Flucht aus Estland

Fakt ist: Alexander Van der Bellen senior, geboren 1898 im westrussis­chen Pskow, flieht mit seiner Familie 1919 aus der Sowjetunio­n nach Est- land. Indizien sprechen dafür, dass sich Van der Bellens Vater nach der Annexion durch die Sowjets ab dem Sommer 1940 mit einer Emigration beschäftig­t. So ersucht er im Herbst 1940 die Universitä­t Tartu, ihm seine Geburtsurk­unde aus dem Studienakt zu retournier­en. 1941 gelingt den Van der Bellens kraft des DeutschSow­jetischen Grenz- und Freundscha­ftsvertrag­es als „Nachumsied­ler“die Ausreise nach Deutschlan­d.

Im November 1941 kommt die Familie via Würzburg nach Wien. Zwangsläuf­ig muss es im Zuge der Emigration auch Kontakte zwischen Van der Bellen senior und den Behörden des NS- Regimes gegeben haben. Dokumente aus estnischen, deutschen und österreich­ischen Archiven widerlegen jedoch den erneut erhobenen Vorwürfe irgendeine­r Nähe zum Regime. Ebenso finden sich nirgends nachweisba­re Kontakte zu estnischen NSKollabor­ateuren. Belegt ist nur, dass sich Van der Bellen senior nach der Oktoberrev­olution für geflohene russische Studenten engagierte.

Gut ein Jahr nach der Geburt von Sohn Alexander, der am 18. Jänner 1944 in Wien zur Welt gekommen ist, zog die Familie ins Tiroler Kaunertal. Erst 1958 erhielten die Van der Bellens die österreich­ische Staatsbürg­erschaft.

 ??  ?? Alexander Van der Bellen senior mit Frau Alma, der älteren Schwester Nanni und dem jungen Alexander im Kaunertal. 1941 floh die Familie aus Estland nach Österreich, 1944 kam Van der Bellen in Wien zur Welt
Alexander Van der Bellen senior mit Frau Alma, der älteren Schwester Nanni und dem jungen Alexander im Kaunertal. 1941 floh die Familie aus Estland nach Österreich, 1944 kam Van der Bellen in Wien zur Welt

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