Unternehmen sollen mit Mini-Steuersätzen angelockt werden
Die Auto- und Pharma-Branche werden zudem mit attraktiven Garantien angelockt. Manche Multis kommen freiwillig – etwa Google und Facebook.
Der mit der Abwicklung des EU-Austritts betraute britische Staatssekretär David Davis ist eine optimistische Natur. Nach seinem gestrigen „konstruktiven Gespräch“mit Guy Verhofstadt in Brüssel bezeichnete dieser den Chef-Verhandler als einen „netten Mann“, zumal jener gerne klassische britische Rennwagen fahre.
Solch launige Betrachtungen kontrastieren mit der Dringlichkeit des von Verhofstadt eingemahnten straffen Zeitplans. Die EU will nach Auslösen des Artikel 50 im Frühjahr 2017 den Trennungsprozess bis Ende 2018 abgeschlossen haben. Da Großbritannien neue Handelsabkommen mit Europa erst danach verhandeln können wird, drängt die Wirtschaft nun auf ein Interimsabkommen für einen übergangsmäßigen Verbleib im EUBinnenmarkt. „Die Leute wollen nicht am Rand einer Klippe stehen“, gab sich Premierministerin Theresa May am Montag in einer Rede vor dem britischen Industriellenverband CBI verständnisvoll, „Sie wollen mit gewisser Sicherheit wissen, wie die Dinge weitergehen werden.“
Ultimatum von US-Finanzkonzernen
Doch vage Formulierungen dieser Art reichen längst nicht mehr zur Beruhigung internationaler Investoren. Schon im September wurde Theresa May bei einem Treffen in New York von Vertretern amerikanischer Finanzkonzerne wie Goldman Sachs, Morgan Stanley und Black Rock mit einem Ultimatum konfrontiert. Sollten konkrete Angaben über den angestrebten Status Großbritanniens nach erfolgtem Brexit weiter ausbleiben, werde man sich vorsorglich aus der Londoner City zurückziehen.
Japans Außenministerium warnte ebenfalls, dass japanische Konzerne, die derzeit die Hälfte ihrer europäischen Investitionen in Großbritannien tätigen, bei einem Austritt aus der Zollunion ihr Interesse amVerein- ten Königreich als Brücke zum europäischen Markt verlieren würden. Ende Oktober versuchte Wirtschaftsminister Greg Clark diese Sorgen zu kalmieren, indem er dem Autohersteller Nissan einen de facto tariffreien Zugang zum Binnenmarkt versprach. Im schlimmsten Fall würde der britische Staat die Kosten zum Ausgleich von Tarifen somit selbst wettmachen.
Wie vorauszusehen, verlangen nun andere ausländische Investoren aus der Autobranche, aber auch aus der pharmazeutischen Industrie ähnliche Garantien, die der britischen Regierung im Fall eines harten Brexit sehr teuer kommen könnten.
In der Downing Street 10 herrschen dementsprechend spürbare Spannungen zwi- schen Regierungschefin May und Schatzkanzler Philip Hammond, der heute, Mittwoch, seine traditionelle Herbst-Rede zum kommenden Budget halten wird. May kam HammondamMontagzuvor, als sie der Industriellenvereinigung zur Versöhnung „die niedrigste Körperschaftssteuerrate der G 20“anbot. Was immer die USA unter Präsident Trump vorlegen, will Großbritannien also unterbieten.
Steuersatz: How low can you go?
Hammonds Vorgänger George Osborne hatte den britischen Steuersatz bereits von 28 Prozent bei seinem Amtsantritt auf 20 Prozent gesenkt, Trump spricht nun von 15 Prozent. Mays Großbritannien wird sich also sehr billig verkaufen müssen, um da im Rennen zu bleiben.
Zumindest der Technologiesparte scheinen diese Aussichten nicht schlecht zu gefallen. In der vergangenen Woche kündigten sowohl Google als auch Facebook große Investitionen in Großbritannien an. Während das Soziale-Netzwerkmedium sein Londoner Hauptquartier um 500 Mitarbeiter aufstocken will, wird Google nahe dem Bahnhof King’s Cross ein als „Landscraper“bezeichnetes, gigantisches Bürozentrum für an die 7000 Mitarbeiter errichten. Zur Renaissance des Industriestandorts Britannien, wie sie die Brexit-Kampagne den verarmten nördlichen Regionen versprach, werden solche Investitionen allerdings wenig beitragen.