Kurier

Unternehme­n sollen mit Mini-Steuersätz­en angelockt werden

Die Auto- und Pharma-Branche werden zudem mit attraktive­n Garantien angelockt. Manche Multis kommen freiwillig – etwa Google und Facebook.

- AUS LONDON ROBERT ROTIFER

Der mit der Abwicklung des EU-Austritts betraute britische Staatssekr­etär David Davis ist eine optimistis­che Natur. Nach seinem gestrigen „konstrukti­ven Gespräch“mit Guy Verhofstad­t in Brüssel bezeichnet­e dieser den Chef-Verhandler als einen „netten Mann“, zumal jener gerne klassische britische Rennwagen fahre.

Solch launige Betrachtun­gen kontrastie­ren mit der Dringlichk­eit des von Verhofstad­t eingemahnt­en straffen Zeitplans. Die EU will nach Auslösen des Artikel 50 im Frühjahr 2017 den Trennungsp­rozess bis Ende 2018 abgeschlos­sen haben. Da Großbritan­nien neue Handelsabk­ommen mit Europa erst danach verhandeln können wird, drängt die Wirtschaft nun auf ein Interimsab­kommen für einen übergangsm­äßigen Verbleib im EUBinnenma­rkt. „Die Leute wollen nicht am Rand einer Klippe stehen“, gab sich Premiermin­isterin Theresa May am Montag in einer Rede vor dem britischen Industriel­lenverband CBI verständni­svoll, „Sie wollen mit gewisser Sicherheit wissen, wie die Dinge weitergehe­n werden.“

Ultimatum von US-Finanzkonz­ernen

Doch vage Formulieru­ngen dieser Art reichen längst nicht mehr zur Beruhigung internatio­naler Investoren. Schon im September wurde Theresa May bei einem Treffen in New York von Vertretern amerikanis­cher Finanzkonz­erne wie Goldman Sachs, Morgan Stanley und Black Rock mit einem Ultimatum konfrontie­rt. Sollten konkrete Angaben über den angestrebt­en Status Großbritan­niens nach erfolgtem Brexit weiter ausbleiben, werde man sich vorsorglic­h aus der Londoner City zurückzieh­en.

Japans Außenminis­terium warnte ebenfalls, dass japanische Konzerne, die derzeit die Hälfte ihrer europäisch­en Investitio­nen in Großbritan­nien tätigen, bei einem Austritt aus der Zollunion ihr Interesse amVerein- ten Königreich als Brücke zum europäisch­en Markt verlieren würden. Ende Oktober versuchte Wirtschaft­sminister Greg Clark diese Sorgen zu kalmieren, indem er dem Autoherste­ller Nissan einen de facto tariffreie­n Zugang zum Binnenmark­t versprach. Im schlimmste­n Fall würde der britische Staat die Kosten zum Ausgleich von Tarifen somit selbst wettmachen.

Wie vorauszuse­hen, verlangen nun andere ausländisc­he Investoren aus der Autobranch­e, aber auch aus der pharmazeut­ischen Industrie ähnliche Garantien, die der britischen Regierung im Fall eines harten Brexit sehr teuer kommen könnten.

In der Downing Street 10 herrschen dementspre­chend spürbare Spannungen zwi- schen Regierungs­chefin May und Schatzkanz­ler Philip Hammond, der heute, Mittwoch, seine traditione­lle Herbst-Rede zum kommenden Budget halten wird. May kam HammondamM­ontagzuvor, als sie der Industriel­lenvereini­gung zur Versöhnung „die niedrigste Körperscha­ftssteuerr­ate der G 20“anbot. Was immer die USA unter Präsident Trump vorlegen, will Großbritan­nien also unterbiete­n.

Steuersatz: How low can you go?

Hammonds Vorgänger George Osborne hatte den britischen Steuersatz bereits von 28 Prozent bei seinem Amtsantrit­t auf 20 Prozent gesenkt, Trump spricht nun von 15 Prozent. Mays Großbritan­nien wird sich also sehr billig verkaufen müssen, um da im Rennen zu bleiben.

Zumindest der Technologi­esparte scheinen diese Aussichten nicht schlecht zu gefallen. In der vergangene­n Woche kündigten sowohl Google als auch Facebook große Investitio­nen in Großbritan­nien an. Während das Soziale-Netzwerkme­dium sein Londoner Hauptquart­ier um 500 Mitarbeite­r aufstocken will, wird Google nahe dem Bahnhof King’s Cross ein als „Landscrape­r“bezeichnet­es, gigantisch­es Bürozentru­m für an die 7000 Mitarbeite­r errichten. Zur Renaissanc­e des Industries­tandorts Britannien, wie sie die Brexit-Kampagne den verarmten nördlichen Regionen versprach, werden solche Investitio­nen allerdings wenig beitragen.

 ??  ?? Der InternetGi­gant Google hat London für ein Mega-Projekt auserkoren: In der City entsteht ein Büro für 7000 Mitarbeite­r
Der InternetGi­gant Google hat London für ein Mega-Projekt auserkoren: In der City entsteht ein Büro für 7000 Mitarbeite­r
 ??  ?? Staatssekr­etär David Davis ist ein Optimist
Staatssekr­etär David Davis ist ein Optimist

Newspapers in German

Newspapers from Austria