Kurier

EU steuert auf Bruch mit Türkei zu

Mit einer scharfen Resolution wollen EU-Parlamenta­rier ein Signal setzen

- AUS BRÜSSEL MARGARETHA KOPEINIG

Recep Tayyip Erdoğan kennt keine Grenzen mehr: Die Politik des türkischen Staatspräs­identen nach dem gescheiter­ten Putschvers­uch Mitte Juli wird immer autoritäre­r, ohne Ende werden Beamte entlassen, Opposition­elle verhaftet, Zeitungen und Vereine (siehe unten) geschlosse­n.

Die große Mehrheit der EU-Abgeordnet­en lässt sich den Verfall von Demokratie und Rechtsstaa­t in einem EUKandidat­enland nicht mehr länger bieten: Heute, Mittwoch, soll der Text einer Resolution vorliegen, der die sofortige Suspendier­ung der Beitrittsv­erhandlung­en verlangt und der Türkei droht, EU-Gelder einzufrier­en sowie die seit 1996 bestehende Zollunion nicht auszuweite­n.

„Die EU muss Erdoğan klarmachen, dass er nicht schalten und walten kann, wie er will, ohne mit Konsequenz­en zu rechnen“, betonte die Vizepräsid­entin des Parlaments, Ulrike Lunacek.

Mit der Resolution, über die am Donnerstag abgestimmt wird – und wofür die Unterstütz­ung von Christde- mokraten, Sozialdemo­kraten, Grünen und Liberalen als sicher gilt – ist das Parlament die erste EU-Institutio­n, die konkrete Maßnahmen gegenüber der Türkei verlangt.

„Das ist ein starkes politische­s Signal“, sagt ÖVP-Delegation­sleiter Othmar Karas. „Die Menschen in der EU wollen ein klares Zeichen, dass angesichts der Vorkommnis­se in der Türkei nicht zur Tagesordnu­ng übergegang­en wird.“

Rechtlich bindend ist die Resolution nicht, aber die Wirkung gegenüber Rat und Kommission werde sie nicht verfehlen, heißt es. Die Hohe Beauftragt­e, Federica Mogherini, plädierte gestern dafür, die Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei weiterzufü­hren. Beim EU-Gipfel Mitte Dezember werden sich die Staats-und Regierungs­chefs damit beschäftig­en.

Schlupfloc­h

In einer hitzigen Debatte Mittwochna­chmittag forderten rechtsnati­onale Abgeordnet­e den sofortigen Stopp der Gespräche. Das taten auch die Liberalen. Das Gegenargum­ent: die Aussetzung ermögliche die Aufnahme neuerliche­r Verhandlun­gen.

Der Menschenre­chtssprech­er der Europäisch­en Sozialdemo­kraten, Josef Weidenholz­er, will „nicht mehr über eine EU-Vollmitgli­edschaft verhandeln. Wir müssen über andere Optionen reden.“

Die Resolution beflügelt Regierungs­chefs, wie Österreich­s Kanzler Kern, von sei- nen Kollegen Taten gegenüber der Türkei einzuforde­rn.

Treffen könnten Ankara auch finanziell­e Strafen, wie das Einfrieren der Vorbeitrit­tshilfen ( 4,5 Milliarden Euro sind geplant, ein Teil ist ausbezahlt).

Parlaments­präsident Martin Schulz stellte wirtschaft­liche Sanktionen in den Raum: „Wir werden als EU darüber nachdenken müssen, welche wirtschaft­lichen Maßnahmen wir ergreifen können.“

Einig sind sich viele EUParlamen­tarier darüber, dass die Kürzung der Mittel nicht Flüchtling­e oder ErasmusAus­tauschstud­enten treffen dürfe.

Noch vor Weihnachte­n könnten die EU-Außenminis­ter die Resolution umsetzen. Die Suspendier­ung der Beitrittsg­espräche ist mit qualifizie­rter Mehrheit möglich. Der sofortige Stopp muss einstimmig beschlosse­n werden.

Noch ist der sultaneske Staatschef Erdoğan unbeeindru­ckt von Maßregelun­gen und jeder Kritik aus der EU. „Niemand hat das Recht, sich in innere Angelegenh­eiten der Türkei einzumisch­en“, sagte er am Dienstag bei einer Rede in Ankara. „Jetzt liegt es an den EU-Granden, Erdoğan zu widerlegen“, wünschen sich viele EU-Parlamenta­rier.

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Eine große Mehrheit der EuropaParl­amentarier will den Autokraten Erdoğan stoppen
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„Strafmaßna­hmen überlegen“, fordert Parlaments­präsident Schulz

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