„Wir sind keine entmündigten Wesen“
Die Leiterin der Datenschutzbehörde fordert mehr Eigenverantwortung im Umgang mit Daten
Die Verknüpfung und Auswertung von unseren Daten wird für viele Firmen immer wichtiger für ihre Geschäftsmodelle. Der KURIER sprach mit Andrea Jelinek, Leiterin der Datenschutzbehörde, über die Herausforderungen der vernetzten Gesellschaft. KURIER: Sind Daten aus Ihrer Sicht das Öl der nächsten Jahrzehnte und so wichtig wie Rohstoffe, Arbeit und Kapital? Andrea Jelinek: Ja, das wird überall propagiert. Ich denke auch, dass es stimmt. Umso wichtiger ist es für Unternehmen, konform auch im Bereich des Datenschutzes zu sein. Derzeit überlegen sich zahlreiche Firmen, wie sie im Zuge der Digitalisierung Daten nutzen können, um daraus ihre Geschäftsmodelle zu adaptieren. Wird der richtige Umgang mit Daten für Firmen zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor?
Der gesetzeskonforme Umgang mit Daten sollte selbstverständlich sein. Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen und die Datensicherheit sind wichtig und sicher ein Wettbewerbsfaktor, wenn ein Unternehmen da sehr gut aufgestellt ist. Viele internationale Big-DataUnternehmen sind der Meinung, dass man längst Fakten geschaffen haben wird, bevor es überhaupt Gesetze zu dem Thema geben wird.
Wenn Sie damit die üblichen Suchmaschinenbetreiber oder große eCommerceUnternehmen meinen, fällt die Antwort differenziert aus. Viele Menschen sind sich gar nicht im Klaren, dass sie bestimmten Übermittlungen und auch Verknüpfungen ihrer Daten zustimmen. Die Datenschutzerklärung wird sehr oft einfach weggeklickt, sie wird nicht durchgelesen oder auch nur in irgendeiner Weise zur Kenntnis genommen. Ich weiß, dass dies manchmal mühsam sein kann, aber jeder Einzelne sollte doch daran interessiert sein, was er unterschreibt und welchen Übermittlungen er zustimmt. Nutzer müssen aus Ihrer Sicht also selbst wieder mehr Verantwortung nehmen?
Wir sind keine entmündigten Wesen. Wir haben hier Eigenverantwortung und jeder sollte sich bewusst sein, was er tut. Darüber hinaus ist es eine Frage, die jeder Konsument für sich beantworten muss, nämlich ob die Übermittlung der Daten an ein Unternehmen durch etwaige Vorteile einer Kundenkarte ausreichend kompensiert werden oder nicht. Datenschützer zitieren immer wieder, dass die Datenschutzbehörde nicht genügend Geld habe, um Techniker einzustellen. Stimmt das?
Die Frage der Implementierung von Technikern in der Behörde ist keine Frage des Geldes, sondern eine der Sinnhaftigkeit und der Erforderlichkeit. Die Datenschutzbehörde bestellt, wenn sie es braucht, technische Sachverständige aus den unterschiedlichsten Teilgebieten. Gerade in diesem Bereich ist das Wissen extrem schnelllebig und spezialisiert. Wenn man ein Herzproblem hat, geht man auch zum Spezialisten. Wenn die Behörde Techniker brauchte, habe ich das erforderliche Budget bisher bekommen. In Deutschland hört man bei vielen Datenschutz-Verstößen regelmäßig etwas von den regionalen Datenschützern, die Abmahnungen an Facebook verschicken. Warum ist die österreichische Behörde so ruhig?
Die österreichische Datenschutzbehörde legt ihren Fokus wie jede andere unabhängige Behörde dorthin, wo sie es als sinnvoll erachtet. Gerade in diesem Kon- text ist die gemeinsame europäische Vorgangsweise sehr wichtig und sinnvoll, weshalb die europäischen Datenschutzbehörden hier auch gemeinsam vorgehen. Abgesehen davon kann die Datenschutzbehörde nur dann einschreiten, wenn ein Unternehmen seinen Sitz im Inland hat. Genau dies ist bei vielen Internetfirmen aber nicht der Fall. Wenn Sie keine Handhabe gegen Internetfirmen haben: Wohin legt die österreichische Behörde stattdessen ihren Schwerpunkt?
Einerseits bearbeiten wir Verfahren, die von außen kommen. Andererseits leiten wir selbst Verfahren in jenen Branchen ein, bei denen wir glauben, dass viele Menschen von den jeweiligen Datenanwendungen betroffen sind.