Für Gewalt
wenn nie die Hand gegen sie erhoben wird, warnt Sozialwissenschafterin Barbara Schleicher von Gesundheit Österreich: „In 70 bis 90 Prozent der Fälle, in denen die Mutter durch den Lebenspartner misshandelt wird, sind die Kinder anwesend. Sie erleben die Gewalt direkt oder indirekt mit.“Mit dramatischen Konsequenzen: Kinder aus Gewaltfamilien haben ein erhöhtes Risiko für Störungen beim Lernen, bei Bindungen, beim Selbstwert und in Sachen Selbstbild. „Familiäre Gewalt lässt sich oftmals über Generationen zurückverfolgen. Studien weisen darauf hin, dass etwa 30 Prozent früher misshandelter Eltern die erlittene Gewalt an ihre Kinder weitergeben. Entweder üben sie selbst Gewalt aus oder erdulden sie “, sagt Schleicher.
Passiv statt Prügel
Früher langten Eltern ordentlich zu, erinnern sich die Befragten in der Umfrage: 15 Prozent wurden als Kinder mit einem Gegenstand geschlagen und 25 Prozent erhielten ab und zu eine Tracht Prügel, 39 Prozent bekamen schallende Ohrfeigen.
Heute beobachtet Wölfl bei den Kindern und Jugendlichen zwei neue Tendenzen: „Wir erleben emotionale Vernachlässigung in Familien, in Kampagne Zwischen dem Internationalen Tag gegen die Gewalt an Frauen am 25. Nov. und dem Tag für Menschenrechte am 10. Dez. finden überall auf der Welt Aktionen statt. Die Kampagne „GewaltFREI leben“soll zum einen für das Thema Gewalt an Frauen und Kindern sensibilisieren sowie die Frauenhelpline ( 0800 222 555 – anonym, kostenlos, rund um die Uhr) bekannter machen. Nähere Infos beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser unter denen es keinen wirtschaftlichen Druck gibt. Aber es fehlt jemand, der das Kind fragt, wie es ihm geht. Und Gewalt unter Jugendlichen nimmt zu“, so Wölfl.
Der Fall von P., der vergangene Woche mit einem Gewalt-Video Aufsehen erregte, zeigt diese neue Dimension. Das Opfer wurde von mehreren Jugendlichen geschlagen und dabei gefilmt – Millionen Menschen sahen sich das Video auf der SocialMedia-Plattform Facebook an. „Gerade mit den Themen Cybermobbing und Sexting muss man sich mehr beschäftigen“, fordert Wölfl. „Probleme mit freizügigen Bildern werden vor Erwachsenen versteckt, weil viel Scham hinzukommt. Immerhin haben die Mädchen oft selbst dazubeigetragen, dass es solche kompromittierenden Fotos gibt, die dann veröffentlicht werden. Diese Art von psychischer Gewalt kann manche sogar in den Selbstmord treiben. Aber es gibt zu wenig Anlaufstellen. “
Besser reagieren
Die Entrüstung über Gewalt und sexuellen Missbrauch zeigt sich in der Möwe-Umfrage deutlich. Ebenso wurde nach möglichen Gegenstrategien gefragt: Da fordern die Befragten am häufigsten härtere Strafen, gefolgt von verpflichtenden Therapien und der Schulung von Berufsgruppen, die mit Kindern arbeiten. Solche Schulungen führt auch die Möwe durch: „Bei den ,Trau dich!‘-Workshops arbeiten wir getrennt mit Lehrern, Eltern und Kindern ab acht Jahren“, berichtet Wölfl.
Laufende Schulungen der Mitarbeiter zum Thema Gewalt gebe es auch bei der Exekutive, betont Generalmajor Franz Popp aus Niederösterreich: „Für die Polizei zählt Gewalt in der Privatsphäre zu den Kernthemen. Im Jahr 2015 wurden in Niederösterreich 1348 Wegweisungen und Betretungsver- bote verhängt, 118 davon betrafen Bildungseinrichtungen.“Wenn jemandem ein Verdachtsfall auffällt, empfiehlt Wölfl den Kontakt zum Jugendamt. In Wien wurden im Vorjahr 10.000 Gefähr- dungsfälle gemeldet. Die Möwe setzt noch früher an: „Wir haben erste Projekte für frühe Hilfe laufen, bei denen wir Schwangere und Neo-Mütter zu Hause besuchen und sie unterstützen, mit ihren neu- en Herausforderungen zurechtzukommen. So gibt es eine einfachere Gesprächsmöglichkeit.“Damit man die Gewalt bekämpfen kann, bevor sie ausgebrochen ist.