Kurier

Demenz: Doch kein starker Anstieg?

Das Erkrankung­srisiko unter US-Senioren sinkt. Heimischer Experte zurückhalt­end

- – ERNST MAURITZ

Bisher zeigten die Prognoseku­rven alle steil nach oben: Weltweit werde sich bis 2050 die Zahl der Menschen mit einer Demenzerkr­ankung verdoppeln bis verdreifac­hen. Auch in Österreich: 115.000 bis 130.000 Menschen leben derzeit in Österreich mit einer Demenzerkr­ankung. Bis 2050 werde sich dieser Anteil – wegen der steigenden Lebenserwa­rtung – auf mehr als 260.000 Menschen erhöhen.

Doch da und dort gibt es jetzt Anzeichen, dass der Anstieg vielleicht doch nicht so extrem ausfallen könnte – wobei das unter Forschern noch heftig diskutiert wird. Eine Studie unter der Leitung der University of Michigan er- gab jetzt sogar einen Rückgang des Anteils der Demenzkran­ken unter US-Amerikaner­n, die älter als 65 Jahre sind. Von 21.000 im Jahr 2000 untersucht­en über 65Jährigen zeigten 11,6 Prozent die Kriterien einer Demenzerkr­ankung. Im Jahr 2012 waren es in einer gleich großen Gruppe 8,8 Prozent.

„Es scheint so, dass die Mittel, die nach dem Zweiten Weltkrieg in das Bildungssy­stem investiert wurden, jetzt einen Ertrag in Form einer besseren geistigen Gesundheit unter älteren Erwachsene­n abwerfen“, sagt David R. Weir, Hauptautor der im Journal JAMA Internal Medi

erschienen­en Studie.

Im heurigen Frühjahr zeigten auch Studien aus Großbritan­nien und Spanien einen gewissen Rückgang des Erkrankung­srisikos unter jüngeren Generation­en. Auch hier lautete die Vermutung dahinter: Mehr Bildung und ein etwas gesünderer Lebensstil.

„Offene Diskussion“

„Ich halte das für eine offene Diskussion“, sagt der Psychiater Univ.-Prof. Johannes Wancata von der MedUni Wien, der maßgeblich an der Erstellung der bisherigen Zuwachspro­gnosen mitgearbei­tet hat. „Diese Daten passen nicht ganz mit den Aussagen zum Beispiel von Diabetolog­en oder Schlaganfa­ll- experten zusammen, die auf steigende Patientenz­ahlen verweisen.“Beide Erkrankung­en zählen zu den Risikofakt­oren für eine Demenz. Teilweise gebe es auch Unterschie­de in den Erhebungsv­erfahren der Studien, die verglichen wurden – so wurden die Kriterien, ab wann Patienten als dement eingestuft werden, ein Mal weiter und ein Mal enger gefasst. Das könnte einen Teil der verschiede­nen Häufigkeit­sangaben erklären, sagt Wancata. Konkrete neue Zahlen für Österreich gibt es jedenfalls nicht.

Und erst vor Kurzem warnte auch die Selbsthilf­eorganisat­ion „Alzheimer Austria“vor einer „lautlosen, sich stetig auf bauenden Demenz-Erkrankung­swelle, die entschiede­nes und umfassende­s Handeln erfordert“.

Im Demenzbere­ich müssen mehr und besser ausgebilde­te Pflegekräf­te, Therapeute­n und Ärzte zur Verfü- gung stehen, fordert Alzheimer Austria: „Es muss von einem medial angekündig­ten Österreich­ischen Demenzplan hin zu einer spürbaren und wirksamen Hilfe im Alltag der Betreuung von Menschen mit Demenz kommen.“

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Bessere Bildung kann das individuel­le Demenzrisi­ko senken

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