Kurier

„Eine Menge brennender Fragen“

Tina Lanik inszeniert am Burgtheate­r „Geächtet“von Ayad Akhtar

- VON GUIDO TARTAROTTI

KURIER: Derzeit liest man nirgends ein Interview ohne Einstiegsf­rage zu Donald Trump. Wollen Sie etwas zu Donald Trump sagen? Tina Lanik: Grab ’em by the pussy. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Soll das Theater auf große politische Entwicklun­gen reagieren?

Ja, auf jeden Fall, und am besten mit den Mitteln des Theaters, auf der Bühne, mit relevanten Stoffen, die sich mit den Herausford­erungen der Gegenwart auseinande­rsetzen. Das Stück, das Sie inszeniere­n, ist brandaktue­ll. Es spielt in New York, könnte aber auch bei uns spielen. Es geht um Vorurteile, um religiöse Identität, darum, „was man sagen darf“. Warum tun wir uns im angeblich so aufgeklärt­en 21. Jahrhunder­t mit diesen Dingen so schwer?

Es stimmt nicht ganz, dass „Geächtet“genauso auch bei uns spielen könnte. Zum einen ist die US-amerikanis­che Gesellscha­ft, dieser Melting Pot, noch immer viel heterogene­r und multikultu­reller als es in Österreich oder Deutschlan­d der Fall wäre. Außerdem widmet sich das Stück speziell der Erfahrung muslimisch­er Amerikaner seit dem 11. September 2001. Aber natürlich sind Ayad Akhtars Themen gerade heute auch für uns wichtig und brandaktue­ll. Etwa die Frage nach der Integratio­n, Assimilier­ung von Migranten, die Sorge um den möglichen Verlust kulturelle­r Identität auf beiden Seiten. Und inwieweit Staat und Gesellscha­ft und der persönlich­e Glauben voneinande­r zu trennen sind. Das Stück wirft da eine Menge brennender Fragen auf. Stimmt der Befund, dass wir in einer zunehmend vom Hass dominierte­n Gesellscha­ft leben? Wo kommt dieser Hass her? Was ist der Grund dafür, dass sich „besorgte Bürger“zunehmend Populisten zuwenden?

In einer zunehmend komplexer werdenden Welt haben leider gerade jene Zulauf, die einfache Antworten geben. Die Ängste schüren und Menschen auf hetzen. Und in einer mehr und mehr „postfaktis­ch“erscheinen­den Realität potenziert sich dies ins Ungeheuerl­iche. Sie haben eine großartige Besetzung zur Verfügung. Wie ist das Arbeiten mit diesen Schauspiel­ern, am Burgtheate­r?

Einfach toll. Sie arbeiten sehr oft in Österreich. Haben Sie einen besonderen Bezug zu diesem Land?

Meine Mutter ist gebürtige Wienerin. Allerdings arbeite ich zum ersten Mal seit Jahren wieder hier, und zwar mit großer Freude. Sie haben ja in Wien studiert und wollten ursprüngli­ch Diplomatin werden. Das ist interessan­t – ist Diplomatie nicht nahezu das Gegenteil von Theater?

Tatsächlic­h hat Theater ziemlich viel mit Diplomatie zu tun. Es geht immer wieder um Vermittlun­g – den Schauspiel­ern und einem Haus gegenüber, aber auch dem Publikum. Um Vermittlun­g von Texten, Inhalten und Fantasien. Viele Regisseuri­nnen und Regisseure sind heute ja auch keine Autokraten mehr, wie das früher der Fall gewesen sein mag. Ich schätze jedenfalls den gemeinsame­n kreativen Prozess mit den Schauspiel­ern und meinem Team. In den USA oder England werden nach wie vor gut spielbare Stücke geschriebe­n. Bei uns werden diese Autoren manchmal fast geringschä­tzig betrachtet. Anderersei­ts werden bei uns kaum Stücke geschriebe­n, stattdesse­n gibt es Textfläche­n und Dramatisie­rungen. Woran liegt das?

Zum einen ist die angelsächs­ische Theaterkul­tur natürlich viel kommerziel­ler, nicht subvention­iert, kommt zumeist mit sehr schlichten Bühnenbild­ern aus, und jedes Stück muss jeden Abend eine bestimmte Summe Geld einspielen, sonst wird es eben abgesetzt. Im deutschspr­achigen Theater haben wir da eine ganz andere, wesentlich experiment­ellere Tradition. Ich selber liebe Textf lächen, habe auch schon einige inszeniert. Aber ebenso arbeite ich gerade sehr gern an einem äußerst raffiniert geschriebe­nen well-made play mit pointierte­n Dialogen UND einer Menge Substanz und Relevanz, wie das gerade bei „Geächtet“der Fall ist. Premiere von „Die Geächteten“ist am am 26. 11.

 ??  ?? „Geächtet“, ein Stück über das Leben als Muslim in den USA. Mit (von links) Fabian Krüger, Katharina Lorenz, Nicholas Ofczarek, Isabelle Redfern
„Geächtet“, ein Stück über das Leben als Muslim in den USA. Mit (von links) Fabian Krüger, Katharina Lorenz, Nicholas Ofczarek, Isabelle Redfern
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Tina Lanik: „Viele Regisseure sind keine Autokraten mehr“

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