Kurier

Auf Stimmenfan­g im „Neuland“

Kanzlerin Merkel hört per Videokonfe­renz Parteibasi­s und Bürgern zu

- AUS BERLIN EVELYN PETERNEL

„Das Internet darf einen nicht daran hindern, selber zu denken“, sagt Angela Merkel. Danach spricht sie mit großer Lockerheit über Social Bots, Trolle, Digitalisi­erung an sich: Die deutsche Kanzlerin hat den Wahlkampf im Netz eröffnet – von dem Gelächter, das sich vor drei Jahren über sie ergoss, als sie das Internet altbacken „Neuland“nannte, ist an diesem Donnerstag nichts mehr übrig.

Eine Stunde lang hat sich die CDU-Vorsitzend­e per Videokonfe­renz live im Internet den Fragen ihrer Parteimitg­lieder gestellt – ein kleines Wagnis, durchaus, denn die berichten ihr natürlich auch von Sorgen und Kritik der Bürger. „Der Aufstieg der Rechtspopu­listen macht mir große Angst“, sagt etwa eine Jung-CDUlerin; eine andere Parteigäng­erin hat die selben Sorgen in puncto Internet. Das passt – beide Themen sind auch der Grund, warum Merkel dieses Format gewählt hat: Mit der AfD ist der CDU eine Konkurrenz erwachsen, die gerade im Internet massiv an Einfluss und Deutungsma­cht gewinnt.

Merkels Offensive im Netz ist aber auch ein Kampf um ihre Machtposit­ion in der Partei. Kommende Wo- che stellt sie sich der Wiederwahl; die Angst, dass sie deutlich schlechter abschneide­t als vor zwei Jahren, ist groß – damals kam sie auf famose 96,72 Prozent.

„Ich habe Angst“

Nicht zuletzt deshalb will man Kritisches nicht ausblenden – man will schließlic­h herausfind­en, wo innerhalb und außerhalb der CDU der Spalt zwischen „oben“und „unten“verläuft. Die schärfsten Fragen kommen deshalb auch zum Thema Migration. „Wieso ändern sie Ihre Politik nicht?“, sagt einer, der mit ihrer Flüchtling­spolitik nicht einverstan­den ist – „ich habe Angst um die Zukunft, um meine Kinder“, sagt er. Merkels Antwort bleibt die gleiche wie immer: „Ich nehme ihre Angst ernst, auch ihre Kritik zur Kenntnis“, sagt sie – von ihrer Linie will sie aber nicht abweichen.

Ohnehin scheint es, als ob diese Standfesti­gkeit bei den meisten Parteimitg­liedern ankommt. Als sie kürzlich bei einer CDU-Regionalko­nferenz in Heidelberg einen Flüchtling­sbuben zu Tränen rührte, war der Applaus riesig – und dass das Video davon später im Netz herumgerei­cht wurde, war sicherlich auch ganz im Sinne des „Neuland“-Wahlkampfs.

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Internet, das unbekannte Terrain? Für Merkel stimmt das nicht mehr – sie setzt auf Online-Wahlkampf

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