Kurier

Trotz Referendum­s keine fixen Ausländerq­uoten

Die per Referendum von den Bürgern geforderte Drosselung der Zuwanderun­g ist noch immer nicht umgesetzt. Dafür kommt Inländersc­hutz „light“– und ein neues Referendum.

- VON ULRIKE BOTZENHART

Mit Vehemenz kämpft die rechtspopu­listische Schweizeri­sche Volksparte­i (SVP) seit Jahren für die Umsetzung der „Masseneinw­anderungsi­nitiative“. Hatten doch die Schweizer Bürger in einem von der SVP eingebrach­ten Referendum 2014 für eine drastische Drosselung der Zuwanderun­g gestimmt. Selbst einen Bruch mit der EU hätte die SVP in Kauf genommen – im Gegensatz zur Mehrheit im Parlament.

Nach stundenlan­ger heftiger Debatte entschied am Donnerstag der Ständerat, die kleinere Kammer des Parlaments, gegen fixe Zuwanderun­gsquoten für EU-Bürger. Stattdesse­n stimmten die Abgeordnet­en für eine Art entschärft­en Inländersc­hutz „light“. Dieser sieht neben einer Meldepflic­ht bei offenen Stellen auch eine Anhörungs- und Begründung­spflicht für die Unternehme­n vor. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, drohen den Firmen hohe Strafen. Die Schlussabs­timmung in Parlament – und damit die Ausarbeitu­ng des Konzepts bis ins Detail – wird erst am 16. Dezember stattfinde­n.

„Keine Diskrimini­erung wichtig“

Entspreche­nd zurückhalt­end fiel die Reaktion aus Brüssel aus. Eine EU-Kommission­ssprecheri­n sagte nur knapp, die Staatengem­einschaft wolle sich nicht zu Zwischensc­hritten äußern und werde den finalen Beschluss analysiere­n. „Für die Europäisch­e Kommission ist es wichtig, dass es keine Diskrimini­erung zwischen Schweizer Bürgern und EU-Bürgern gibt.“

Die EU hat dabei auch die Verhandlun­gen mit Großbritan­nien über die Ausstiegsr­egeln der Briten im Hinterkopf: Mögliche Zugeständn­isse an die Schweiz könnten Begehrlich­keiten in London wecken, sich bei den Brexit-Verhandlun­gen ebenfalls vorteilhaf­te Rahmenbedi­ngungen auszuverha­ndeln.

Neuerliche­s Referendum 2017

Die Schweizer Regierung steckt in einer Zwickmühle: Einerseits muss sie die „Masseneinw­anderungsi­nititative“als Willen des Volkes umsetzen, anderersei­ts will sie keinesfall­s für die Schweizer Wirtschaft so wichtigen bilaterale­n Verträge mit der EU gefährden. Bis April will die Regierung einen neuen Vorschlag zum Reizthema Zuwanderun­g auf den Tisch legen und die Schweizer in einem Referendum darüber abstimmen lassen. Das hat Justizmini­sterin Simonetta Sommaruga angekündig­t.

Die SVP beharrt auf einer wortgetreu­en Umsetzung ihrer Masseneinw­anderungsi­nitiative. Das Ringen für und gegen Zuwande- rerquoten geht also in die nächste Runde. Denn auch die christlich­demokratis­che Volksparte­i (CVP) würde einen Showdown mit Brüssel in Kauf nehmen. Der CVP-Abgeordnet­e Stefan Engler beklagte, dass dem Nationalra­t am Donnerstag der Mut gefehlt ha- be, konsequent­e Schutzmech­anismen gegen eine zu hohe Zuwanderun­g zu beschließe­n. „Die Schweiz muss von der EU-Verwaltung und den europäisch­en Ländern nicht geliebt werden. Es genügt, wenn man uns achtet“, sagte Engler.

 ?? APA / PETER KLAUNZER ?? 2014 stimmten 50,3 Prozent der Schweizer für die Drosselung der Zuwanderun­g. Die Umsetzung steht noch aus. Justizmini­sterin Sommaruga (im linken Bild) plant ein neues Referendum
APA / PETER KLAUNZER 2014 stimmten 50,3 Prozent der Schweizer für die Drosselung der Zuwanderun­g. Die Umsetzung steht noch aus. Justizmini­sterin Sommaruga (im linken Bild) plant ein neues Referendum

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