Start-ups im grauen Helsinki
Konferenz. Beim Slush-Festival präsentiert sich die europäische Start-up-Szene lebhaft
Kein Mensch, der bei klarem Verstand sei, komme im November nach Helsinki, ist über dem Eingang des SlushFestivalgeländes zu lesen. Die Start-up-Konferenz ist aber der Grund dafür, dass trotz kühlen und grauen Wetters Tausende Besucher den Weg in die finnische Hauptstadt finden.
Vor acht Jahren als kleines Treffen finnischer Gründer gestartet, lockt das zweitägige Festival mittlerweile 17.000 Leute an und gilt als Größtes seiner Art in Europa.
Neben ausgesuchten internationalen Gästen präsentieren sich beim Slush-Festival am Mittwoch und Donnerstag vor allem nordische Start-ups den aus aller Welt angereisten Investoren und Fachbesuchern. Allein in Finnland werden jährlich bis zu 500 Start-ups gegründet. Weil der heimische Markt zu klein ist, haben sie meist ein globales Publikum im Visier. „Start-ups verändern die Wirtschaft“, sagt Jukka Häyrynen, Chef der staatlichen Förderagentur TEKES zum KURIER: „Sie zeigen neue Wege auf, auf internationalen Märkten zu agieren.“
Kultur des Scheiterns
Ein solches Unternehmen ist Supercell. Das Start-up aus Helsinki erwirtschaftet mit Spielen für das Smartphone einen Umsatz von zwei Milliarden Euro im Jahr. Die Games der 2010 gegründeten Firma, darunter „Clash of Clans“oder „Clash Royale“, wurden von mehr als hundert Millionen Nutzern weltweit heruntergeladen. Ein anderes Beispiel ist Spotify aus dem benachbarten Schweden, das Weltmarktführer am Musikstreaming-Markt ist.
Beim Slush-Festival sprachen die Gründer der beiden Unicorns (Anm.: So nennt man Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden) aber nicht über ihre Erfolge, sondern über das Scheitern. Innovation setze Risiko voraus und das bedeute, dass man weit öfter scheitere als Erfolg zu haben, sagte Supercell-Gründer Ilkka Paananen: „Ohne Scheitern würde es Supercell nicht geben.“
Scheitern sei zwar nicht erstrebenswert, Fehler ließen sich aber nicht vermeiden, meinte Spotify-Gründer Daniel Ek. Auch Spotify sei aufgrund falscher Entscheidungen mehrmals kurz vor der Pleite gestanden: „Jedes große Unternehmen hat mindestens drei Nahtod-Erfahrungen hinter sich.“
„Scheitern ist Teil des Prozesses“, sagt auch Niklas Zennström. Der schwedische Entrepreneur verdiente mit dem Verkauf des von ihm mitgegründeten Internet-Telefoniedienstes Skype Millionen. Heute steht er dem Risikokapitalgeber Atomico vor, der vor allem in junge Unternehmen aus dem Norden investiert. Europa entwickle sich zum Tummelplatz für Entrepreneure und Investoren, sagte Zennström, dessen Unternehmen beim Slush-Festival eine Studie zur europäischen Start-up-Szene präsentierte. Neben Startup-Zentren wie London, Berlin und Stockholm sei auch in anderen Städten, wie etwa Paris, Helsinki oder Zürich, eine zunehmend lebhafte Szene zu beobachten. 2016 rechnet Atomico mit einem Rekordjahr für europäische Start-ups und prognostiziert Investitionen in der Höhe von 13,6 Milliarden Euro.
Von US-Start-up-Epizentren, wie dem US-amerikanischen Silicon Valley, will man sich auch beim Slush Festival emanzipieren. Helsinki wolle kein zweites Silicon Valley werden, sagte Peter Vesterbacka, der den finnischen „Angry Birds“-Entwickler Rovio mitgründete und auch dabei half das Slush-Festival ins Leben zu rufen: „Wir gehen unseren eigenen Weg.“
US-Prominenz
Ganz will man aber dennoch nicht auf die Prominenz aus den USA verzichten. So erzählte etwa Arielle Zuckerberg, die jüngere Schwester von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, die beim Risikokapitalgeber Kleiner Perkins beschäftigt ist, über technische Entwicklungen, die Menschen dabei helfen über sich hinauszuwachsen. Der US-Investor Chris Sacca, der früh in Unternehmen wie Twitter, Uber oder Instagram investierte, warnte bei der Eröffnung davor, dass unter US-Präsident Donald Trump Technologie nicht mehr zur Lösung von Problemen, sondern zum Ausspionieren von Leuten zur Anwendung kommen könnte.