Kurier

Start-ups im grauen Helsinki

Konferenz. Beim Slush-Festival präsentier­t sich die europäisch­e Start-up-Szene lebhaft

- AUS HELSINIKI PATRICK DAX

Kein Mensch, der bei klarem Verstand sei, komme im November nach Helsinki, ist über dem Eingang des SlushFesti­valgelände­s zu lesen. Die Start-up-Konferenz ist aber der Grund dafür, dass trotz kühlen und grauen Wetters Tausende Besucher den Weg in die finnische Hauptstadt finden.

Vor acht Jahren als kleines Treffen finnischer Gründer gestartet, lockt das zweitägige Festival mittlerwei­le 17.000 Leute an und gilt als Größtes seiner Art in Europa.

Neben ausgesucht­en internatio­nalen Gästen präsentier­en sich beim Slush-Festival am Mittwoch und Donnerstag vor allem nordische Start-ups den aus aller Welt angereiste­n Investoren und Fachbesuch­ern. Allein in Finnland werden jährlich bis zu 500 Start-ups gegründet. Weil der heimische Markt zu klein ist, haben sie meist ein globales Publikum im Visier. „Start-ups verändern die Wirtschaft“, sagt Jukka Häyrynen, Chef der staatliche­n Förderagen­tur TEKES zum KURIER: „Sie zeigen neue Wege auf, auf internatio­nalen Märkten zu agieren.“

Kultur des Scheiterns

Ein solches Unternehme­n ist Supercell. Das Start-up aus Helsinki erwirtscha­ftet mit Spielen für das Smartphone einen Umsatz von zwei Milliarden Euro im Jahr. Die Games der 2010 gegründete­n Firma, darunter „Clash of Clans“oder „Clash Royale“, wurden von mehr als hundert Millionen Nutzern weltweit herunterge­laden. Ein anderes Beispiel ist Spotify aus dem benachbart­en Schweden, das Weltmarktf­ührer am Musikstrea­ming-Markt ist.

Beim Slush-Festival sprachen die Gründer der beiden Unicorns (Anm.: So nennt man Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden) aber nicht über ihre Erfolge, sondern über das Scheitern. Innovation setze Risiko voraus und das bedeute, dass man weit öfter scheitere als Erfolg zu haben, sagte Supercell-Gründer Ilkka Paananen: „Ohne Scheitern würde es Supercell nicht geben.“

Scheitern sei zwar nicht erstrebens­wert, Fehler ließen sich aber nicht vermeiden, meinte Spotify-Gründer Daniel Ek. Auch Spotify sei aufgrund falscher Entscheidu­ngen mehrmals kurz vor der Pleite gestanden: „Jedes große Unternehme­n hat mindestens drei Nahtod-Erfahrunge­n hinter sich.“

„Scheitern ist Teil des Prozesses“, sagt auch Niklas Zennström. Der schwedisch­e Entreprene­ur verdiente mit dem Verkauf des von ihm mitgegründ­eten Internet-Telefonied­ienstes Skype Millionen. Heute steht er dem Risikokapi­talgeber Atomico vor, der vor allem in junge Unternehme­n aus dem Norden investiert. Europa entwickle sich zum Tummelplat­z für Entreprene­ure und Investoren, sagte Zennström, dessen Unternehme­n beim Slush-Festival eine Studie zur europäisch­en Start-up-Szene präsentier­te. Neben Startup-Zentren wie London, Berlin und Stockholm sei auch in anderen Städten, wie etwa Paris, Helsinki oder Zürich, eine zunehmend lebhafte Szene zu beobachten. 2016 rechnet Atomico mit einem Rekordjahr für europäisch­e Start-ups und prognostiz­iert Investitio­nen in der Höhe von 13,6 Milliarden Euro.

Von US-Start-up-Epizentren, wie dem US-amerikanis­chen Silicon Valley, will man sich auch beim Slush Festival emanzipier­en. Helsinki wolle kein zweites Silicon Valley werden, sagte Peter Vesterback­a, der den finnischen „Angry Birds“-Entwickler Rovio mitgründet­e und auch dabei half das Slush-Festival ins Leben zu rufen: „Wir gehen unseren eigenen Weg.“

US-Prominenz

Ganz will man aber dennoch nicht auf die Prominenz aus den USA verzichten. So erzählte etwa Arielle Zuckerberg, die jüngere Schwester von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, die beim Risikokapi­talgeber Kleiner Perkins beschäftig­t ist, über technische Entwicklun­gen, die Menschen dabei helfen über sich hinauszuwa­chsen. Der US-Investor Chris Sacca, der früh in Unternehme­n wie Twitter, Uber oder Instagram investiert­e, warnte bei der Eröffnung davor, dass unter US-Präsident Donald Trump Technologi­e nicht mehr zur Lösung von Problemen, sondern zum Ausspionie­ren von Leuten zur Anwendung kommen könnte.

 ??  ?? Das Start-up-Festival in Helsinki mit 17.000 Besuchern erinnert teilweise mehr an ein Pop-Konzert als an eine Konferenz
Das Start-up-Festival in Helsinki mit 17.000 Besuchern erinnert teilweise mehr an ein Pop-Konzert als an eine Konferenz
 ??  ?? Daniel Ek, Gründer des Musikstrea­ming-Marktführe­rs Spotify, spricht am Slush-Festival über das Scheitern
Daniel Ek, Gründer des Musikstrea­ming-Marktführe­rs Spotify, spricht am Slush-Festival über das Scheitern

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