Kurier

Koalition will ein Arbeitsjah­r einlegen

Warum die SPÖ Neuwahl absagt und Kurz Anfang 2018 ÖVP-Chef werden soll

- VON DANIELA KITTNER

SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Georg Niedermühl­bichler hat dankenswer­terweise für Klarheit gesorgt: Die Regierungs­parteien streben keine vorgezogen­en Neuwahlen an, weil die Bevölkerun­g nach einem Jahr Hof burg-Wahlkampf „null Verständni­s“für einen neuen Wahlkampf hätte. Mit vier bis fünf Straf-Prozentpun­kten müsste diejenige Partei rechnen, die Wahlen vom Zaun bricht, sagte Niedermühl­bichler im Samstag-KURIER.

Die SPÖ richtet ihre Strategie also auf ein Auslaufen der Legislatur­periode aus. Tatsächlic­h soll sich auch Kanzler Christian Kern kürzlich umentschie­den haben. Ihm wurde ja nachgesagt, dass er mit raschen Neuwahlen liebäugle, so lange seine persönlich­en Beliebthei­tswerte noch nicht verschliss­en sind. Nun soll er aber bis September 2018 durchdiene­n wollen. Der kolportier­te Grund: Wenn es im Winter 2018 Schwarz-Blau gibt, wäre er wenigstens zweieinhal­b Jahre Kanzler gewesen. Geht er im April 2017 wählen und es gibt danach Schwarz-Blau, würde Kern als kürzestdie­nender Kanzler in die Geschichte eingehen. Derzeit hält Alfred Gusenbauer mit zwei Jahren Amtszeit diesen zweifelhaf­ten Rekord. Während in der SPÖ die Würfel gefallen sind, ist die Lage in der ÖVP komplexer. Die Lust auf Neuwahlen hält sich auch in der ÖVP in engen Grenzen, aber gleichzeit­ig sehnen die Funktionär­e Sebastian Kurz an der Parteispit­ze herbei. Kurz ist ohne Neuwahlen aber nicht zu haben, weil sich der Außenminis­ter nicht als x-ter schwarzer Vize neben einem roten Kanzler verschleiß­en will.

Und so kann sich, ob man’s glaubt oder nicht, Reinhold Mitterlehn­er an der ÖVP-Spitze vorerst noch recht sicher fühlen. Gibt es keine Neuwahl, gibt es keinen Obmann-Wechsel.

Dennoch hat die ÖVP zwei Probleme zu lösen, wenn sie die Legislatur­periode ausdienen will. Erstens muss sie ihre massiven internen Zerwürfnis­se bereinigen. Zwischen den Ministern Hans Jörg Schelling, Wolfgang Brandstett­er, Andrä Rupprechte­r und Mitterlehn­er fliegen die Fetzen. Es gab lautstarke Auseinande­rsetzungen und gegenseiti­ge Rücktritts­aufforderu­ngen. Hochgekoch­t sind die Emotionen rund um die Bauernents­chädigung und den Pensions-Hunderter sowie diverse andere Sonderwüns­che ans Budget, die Schelling nicht erfüllen wollte. Die Minister Kurz und Wolfgang Sobotka demonstrie­ren bei jeder Gelegenhei­t ihre Distanz zum Mitterlehn­erTeam, und Klubobmann Reinhold Lopatka macht sowieso, was er will. Mitterlehn­er und Generalsek­retär Werner Amon werden versuchen müssen, etwas Teamgeist in die ÖVP zu bringen, wenn die Regierung bis 2018 durchhalte­n soll.

Zweitens muss die ÖVP jenen Bundesländ­ern, die im Frühjahr 2018 Landtagswa­hlen haben, die negativen Einflüsse von der Bundeseben­e wegräumen. Im ersten Halbjahr 2018 wählen Niederöste­rreich, Kärnten, Salzburg und Tirol. In drei dieser vier Bundesländ­er stehen ÖVP-Landeshaup­tleute auf dem Prüfstand. Und diese haben das HorrorSchi­cksal von Josef Pühringer und Franz Voves aus dem Jahr 2015 vor Augen: Obwohl beide beliebte Landeshaup­tleute waren, wurden sie bei ihren Landtagswa­hlen schwer abgestraft, weil die Wähler den Frust über die Bundesregi­erung an ihnen abreagiert­en.

Wahlstrate­gen glauben daher, es wäre für diese Länder besser, wenn bereits 2017 im Bund neu gewählt würde, damit sich der Frust über die rot-schwarze Koalition vor den Landtagswa­hlen entladen kann.

Gegenüber dem KURIER bringt ein ÖVPStrateg­e nun eine andere Variante ins Spiel, mit der den schwarzen Ländern aus der Patsche geholfen werden könnte: Die ÖVP könnte ihren Bundespart­eitag zu Jahresbegi­nn 2018 abhalten und dort ihren Superstar Sebastian Kurz zum Obmann küren. Das würde die Umfragewer­te für die ÖVP in die Höhe treiben, und Kurz würde für positiven Rückenwind in den Landtagswa­hlkämpfen sorgen.

Umgekehrt hätte Kurz gleich zu Beginn seiner Obmannscha­ft ein gutes Wahlergeb- nis, wenn Erwin Pröll sich in Niederöste­rreich noch einmal in die Schlacht wirft. „Das wäre eine Win-Win-Situation. Pröll und Kurz könnten sich gegenseiti­g im Windschatt­en mitnehmen“, sagt der Stratege. Wenn Alexander Van der Bel

len heute die Wahl gewinnt, sind keine Turbulenze­n zu erwarten. Er wird das Amt so ruhig führen wie Heinz Fischer. Gewinnt heute Norbert Hofer, weiß man nicht, was passiert. Hofer hat im Wahlkampf gezeigt, dass er zwei Gesichter hat, ein sanftes und ein aggressiv-autoritäre­s. Welches bei seiner Amtsführun­g überwiegen würde, ist schwer vorherzusa­gen. Aber er würde seinen Wählern wohl beweisen wollen, dass sich unter ihm etwas ändert.

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Christian Kern, Reinhold Mitterlehn­er: Die Koalition will bis September 2018 durchdiene­n
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