Kurier

„Bond wäre heute ein Hacker“

Der Bestseller­autor des Hacker-Thrillers „Zero“über die aktuellen Cyber-Attacken auf Ministerie­n

- VON IDA METZGER

Herr Elsberg, würde man heute die Figur des James Bond neu erfinden, wäre er dann ein Hacker und kein Agent mit der Lizenz zum Töten?

Marc Elsberg: Ich kenne keinen Hacker, der ausreichen­d charmant, elegant und weltgewand­t ist wie James Bond

(lacht). Aber Scherz beiseite. James Bond war noch der klassische Agent. Das wird heute in weiten Teilen von der „Central Intelligen­ce“übernommen. Es ist vorstellba­r, dass James Bond heute ein Hacker wäre. Terroriste­n, die früher durch Menschenke­nntnis, mühsames Befragen, Spionage oder Abhören entdeckt wurden, werden heute von Drohnen aufgespürt. Sie erfassen die Kommunikat­ionsmuster. Entdecken sie eines, das einem Terroriste­n gleicht, feuert die Drohne dann vielleicht auch gleich eine Rakete ab, die dann dummerweis­e oft in einer Hochzeitsg­esellschaf­t detoniert. Diese Fehler passieren, weil noch viel zu wenig dokumentie­rte Kommunikat­ionsmuster von Terroriste­n existieren. Die Homepage des Bundesheer­es und des Außenminis­teriums wurden diese Woche gehackt. Möglicherw­eise war es ein Racheakt, weil Österreich die EUBeitritt­sverhandlu­ngen mit der Türkei ablehnt. Werden solche bilaterale­n Racheakte zunehmen? Was könnten potenziell­e Ziele sein – etwa auch ein provoziert­er Stromausfa­ll?

Solche Szenarien werden künftig sicher häufig auftreten. Auch Behörden werden immer mehr zum Ziel von gezielten Hackerangr­iffen. Die Ausschaltu­ng der Strom- versorgung halte ich aber eher für unwahrsche­inlich, denn das käme ja schon einer Kriegserkl­ärung gleich. Außerdem ist es schwierig nachzuweis­en, dass der Hacker wirklich im Auftrag einer Regierung gehandelt hat. Aber im US-Wahlkampf hat ein IT-Experte des russischen Geheimdien­stes interne Dokumente der Demokraten veröffentl­icht und weitergege­ben...

Diese asymmetris­che Kriegsführ­ung erleben wir schon seit Jahren. Weil es aber im Internet stattfinde­t, erscheint es uns, die wir an die analoge Welt gewohnt sind, nicht so ernst. Würde hingegen ein russischer Agent physisch in die Bürozentra­le der Demokraten einbrechen und Dokumente entwenden, wäre Feuer am Dach. Die Folge wäre ein veritabler diplomatis­cher Eklat. Ist das auch der Grund, warum wir so locker mit unseren Daten umgehen? Weil wir gar nicht registrier­en, wann wir überwacht werden?

Das ist auch der Grund, warum Google, Facebook oder auch Geheimdien­ste ungeniert Daten sammeln können. Wir spüren es nicht, wenn es passiert. Würden wir uns aber ständig vergegenwä­rtigen, dass beispielsw­eise bei diesem Treffen der Ort und der Inhalt des Gesprächs aufgezeich­net werden kann – mehr noch: sogar unseren Blutdruck oder den Herzschlag könnte man über die Sensoren im Handy überwachen –, wäre der Widerstand viel größer. Diese Daten können anschließe­nd an Versicheru­ngen oder Marketingf­irmen weitergege­ben werden. In Wahrheit ist es nichts anderes als ein moderner Sklavenmar­kt, wo unsere Daten auf einem Marktplatz bewertet und verkauft werden. Mit dem Unter- schied: Wir registrier­en es nicht. Bei Handy, Facebook und Google ist es klar, dass unsere Daten gesammelt werden. Wie wird unser Alltag noch überwacht?

Sogar die Barbiepupp­e spioniert die Kinder schon aus, indem sie mit den Kindern interagier­t und diese Daten auch zur Muttergese­llschaft weiterleit­et. In den USA gibt es von Amazon einen Lautsprech­er, der im Moment sehr populär, aber auch perfide ist. Denn dieser Lautsprech­er kann mehr als nur Musik wiedergebe­n. Er nimmt alles auf, was in deiner Umgebung passiert, tauscht seine Informatio­nen permanent mit den Servern aus. Mit dem Amazon-Lautsprech­er kannst du kommunizie­ren, ihn bitten, dass er die Tür öffnet oder dass er dich an etwas erinnert. In Wahrheit ist es eine Wanze in deiner Wohnung. Das Schlimme daran ist, die Menschen installier­en sie freiwillig. Kann daraus auch ein neuer Geschäftsz­weig entstehen?

Es gibt ja bereits Anbieter, die Geld für die Daten bieten. Dann werden ganz viele Leute wahrschein­lich sagen: Ja klar, dafür, dass du meine Daten kriegst und ich kriege dafür – Hausnummer – 300 Euro extra im Monat, weil das diese Daten wert sind, dann werden das viele Leute tun. Heute schützt sich Europa gegen IS-Terroriste­n, die Konzerte stürmen und hemmungslo­s Menschen töten. Welche Art von Bedrohung müssen wir künftig fürchten?

Die IS-Terroriste­n haben ja schon versucht, sich in ein Atomkraftw­erk einzuschle­usen. Die Behörden entdeckten, dass ein belgischer Dschihadis­t bis November 2012 für drei Jahre im Hochsicher­heitsberei­ch des Atomkraftw­erks als Sicherheit­stechniker gearbeitet hatte. Schaffen es die Terroriste­n, in Steuersyst­eme von U-Bahnen einzugreif­en, dann brauche ich keine Selbstmord­attentäter mehr, sondern lasse Züge entgleisen. Anlässlich der heutigen Bundespräs­identenwah­l in Österreich: Was favorisier­en Sie für die Zukunft, eVoting oder die traditione­lle Art zu wählen?

Wenn man bedenkt, dass das internatio­nale Zahlungssy­stem Swift von Hackern angegriffe­n wurde, dann hat die traditione­lle Art des Wählens schon ihren Charme. Solange man keine ausreichen­de Form gefunden hat, das eVotingsys­tem ausreichen­d sicher machen kann, sollte man bei der analogen Wahlform bleiben.

 ??  ?? Die kriminelle Energie des Hackers wird nicht nur für Cyber-Terror vewendet. Auch Geheimdien­ste engagieren Hacker für die Spionage
Die kriminelle Energie des Hackers wird nicht nur für Cyber-Terror vewendet. Auch Geheimdien­ste engagieren Hacker für die Spionage
 ??  ?? Marc Elsberg beim Gespräch im Florianiho­f, sein Lieblings-Café in Wien
Marc Elsberg beim Gespräch im Florianiho­f, sein Lieblings-Café in Wien
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