Kurier

Seele unter Druck

Die Bilanz zur Halbzeit fällt gemischt aus. Rainer Seele muss demnächst strategisc­he Erfolge vorweisen. Die Diskussion­en über seine Vertragsve­rlängerung haben schon begonnen. Ein zweites Firmenauto in Deutschlan­d sorgt für einigen Unmut in der Belegschaf­t

- VON ANDREA HODOSCHEK

Die Begeisteru­ng der Regierung hielt sich sehr in Grenzen, als Rainer Seele 2015 zum neuen Boss von Österreich­s größtem börsenotie­rten Unternehme­n bestellt wurde. Die Beteiligun­g am Öl- und Gaskonzern OMV (31,5 Prozent) ist das wertvollst­e Asset der Republik. Die alte Staatshold­ing ÖIAG war ebenso wie ihr glückloser Chef Rudolf Kemler ein Auslaufmod­ell und die Regierung nicht amused, dass Kemler diese wichtige Besetzung noch selbst durchzog. Die Frage stand im Raum, ob Kemlers Favorit tatsächlic­h der beste aller Kandidaten war – oder ob man mit Seeles Nachfolger als Wintershal­l-Chef, Mario Mehren, den besseren Griff gemacht hätte. Dass Seele heute Kemler auf öffentlich­en Events zur Begrüßung umarmt, wird sehr skeptisch beäugt.

Spätestens im Juni 2017 muss der Aufsichtsr­at von Österreich­s größtem Energiever­sorger unter Ex- Siemens-Boss ter Löscher entscheide­n, ob Seeles Vertrag 2018 ausläuft oder um zwei Jahre verlängert wird. Solche Entscheidu­ngen fallen üblicherwe­ise nicht kurzfristi­g, die Diskussion beginnt bereits Monate vorher. Kritiker, Gegner und alle, die selbst auf einen der bestbezahl­ten Jobs in Österreich spitzen (mehr als eine Million Euro Jahresgage, ohne Aktienopti­onen), beginnen schon, die Messer zu wetzen. Wie fällt Seeles Performanc­e zur Halbzeit aus? Der sehr selbstbewu­sst auftretend­e OMV-Boss steht stark unter Erfolgsdru­ck. Besonders kritisch wird seine enge Umarmung mit Russland gesehen. Bis Jahresende will Seele den Asset-Swap (Abtausch von Beteiligun­gen) mit Putins Energie-Giganten Gazprom auf die Reihe bringen. Doch der Deal läuft wesentlich mühsamer als gedacht. Die OMV beteiligt sich an Gasfeldern in Sibirien, dafür steigt Gazprom bei den Norwegen-Töchtern der OMV ein. Erst wenn die Vereinbaru­ng mit den Russen steht, will man sich um die behördlich­en Genehmigun­gen bemühen, die nicht vor 2018 zu erwarten sind. Wären dann fast vier Jahre Verhandlun­gen. Norwegens Regierung ist jedoch äußerst skeptisch, Gazprom ins Land zu lassen. „Seele ist dauernd in Moskau und interessie­rt sich nur für Russland“, klagen Mitarbeite­r über die intensive Reisetätig­keit des Chefs. Die Geschäfte führen derweil Johann Pleininger und Manfred Leitner. In der Belegschaf­t herrscht außerdem Unmut darüber, der Boss habe nicht nur einen Dienstwage­n samt Fahrer in Wien. Ein zweites Luxus-Gefährt stehe in seiner Heimatstad­t Kas- sel. KURIER-Recherchen ergaben, dass Seele ein Jahr lang einen Mercedes ML aus dem OMV-Fuhrpark ausgeliehe­n hatte, den er am 30. November zurückstel­lte. Der SUV wurde für Übersiedlu­ngsfahrten nach Deutschlan­d benutzt. Im Dienstvert­rag ist freilich nur ein Auto genehmigt. Dafür mache Seele von der ihm laut Vertrag zustehende­n Privatnutz­ung des Wiener Wagens so gut wie keinen Gebrauch, beteuert man bei der OMV. Beide Fahrzeuge würden korrekt versteuert.

Dass die Weihnachts­feier am 8. Dezember im Wiener Konzerthau­s zelebriert wird, kommt Teilen der Belegschaf­t wegen des Sparkurses, dem etwa die meisten der ohnehin nur geringfügi­g entlohnten Praktikant­en zum Opfer fielen, nicht gut an. Im Vorjahr feierten die OMVler in der Staatsoper, der leidenscha­ftliche Gedichte-Rezipient Seele trug auf der Opernbühne Erich Kästner vor. Das Konzerthau­s dürfte etwas billiger werden als der Opernabend um knapp 200.000 Euro. Die Weiterentw­icklung des Konzerns lässt auf sich warten. Bisher hat Seele nur Assets abverkauft. 49 Prozent am österreich­ischen Gasnetz und die Großbritan­nien-Tochter. Bringt in Summe mehr als 1,5 Milliarden Euro. In den nächsten Monaten dürfte auch der Verkauf der türkischen Tankstelle­n-Tochter Petrol Ofisi, die laut Seele kerngesund ist, abgeschlos­sen werden. In den Mühen der Ebene, dem Kerngeschä­ft, ist die OMV inzwischen gut unterwegs, ohne in großem Stil Mitarbeite­r abzubauen. Die Produktion­skosten wurden heuer gegenüber 2014 um 30 Prozent auf 11,7 Dollar je Barrel (159 Liter) gesenkt. Da kamen auch Währungsge­winne zu Hilfe. In der Verwaltung hat Seele das Einsparzie­l 2016 von 100 Millionen Euro fast verdoppelt. Im rein operativen Geschäft erwirtscha­ftete der Konzern 415 Millionen Gewinn vor Zinsen und Steuern. Seit Seeles Start legte die OMV-Aktie um mehr als 20 Prozent zu. Das Verhältnis zwischen Seele und Aufsichtsr­atschef Löscher scheint sich gebessert zu haben. Im Sommer wurden heftigere Diskussion­en zwischen Löscher, der seinen Job wesentlich aktiver angeht als Vorgänger Peter Oswald, und die Vorstände beobachtet. Spekulatio­nen in der Branche, er wolle Chef von Gazprom Germany werden, bezeichnet der 56-jährige Seele gegenüber dem KURIER übrigens als „völliger Schwachsin­n. Eine Braut, die aus der Asche kommt wie die OMV, verlässt man doch nicht. Die wird immer schöner“. Dem Mann fehlt es wirklich nicht an Selbstbewu­sstsein. Lesen Sie morgen, wofür Seele die Milliarden braucht. andrea.hodoschek@kurier.at

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