Kurier

Im Einsatz gegen den schlechten Ruf

Hotspots Volksgarte­n und Bahnhofsvi­ertel: Die Polizei versucht, das subjektive Sicherheit­sgefühl durch Präsenz und Projekte zu heben.

- VON ELISABETH HOLZER

Der alte Herr wirkt verloren auf dem hektischen Platz vor dem Hauptbahnh­of. „Da drüben, da gibt’s ein Kaffeehaus“, rät Bernhard Schenner, und der Pensionist bedankt sich.

Mehr Auskunfts- als Amtsperson ist der Chefinspek­tor in dem Moment. „Wenn jemand kommt und sagt, da ist eine Straßenlat­erne kaputt oder eine Parkbank, dann versuche ich, mit den Zuständige­n Kontakt aufzunehme­n“, überlegt der Polizist. „Obwohl ich für Straßenlat­ernen nicht da bin.“

Aber Schenner und sein Kollege Robert Metzler sind sogenannte Sicherheit­sbeauftrag­te: Uniformier­te Beamte, die neben ihrem üblichen Polizeidie­nst zu Bürgervers­ammlungen gehen oder im Sicherheit­szentrum beraten. Sie sind aber auch in jener Gegend von Graz anzutreffe­n, die zuletzt immer öfter negativ auffiel − die Schneise vom Bahnhofsvo­rplatz über die Annenstraß­e bis hinunter zum Volksgarte­n.

Stadt schaut anders aus

Kaum einen Kilometer lang ist die Strecke in eine Richtung, doch ihr folgt ein schlechter Ruf, medial und in der öffentlich­en Wahrnehmun­g. Massenschl­ägerei dort, (Klein-)Drogenhand­el mit Haschisch da. Menschen aus sogenannte­n Randgruppe­n, die tagsüber im Park oder beim Bahnhof herumlunge­rn, weil sie sonst nirgendwo hinkönnen: „Das Erscheinun­gsbild der Stadt hat sich in dem Bereich verändert. Das kann verunsiche­rn und Angst machen, obwohl eigentlich nicht mehr passiert als in anderen Teilen der Stadt“, beschreibt Andreas Weiland. „Aber die subjektive Wahrnehmun­g ist halt etwas anderes.“Tatsächlic­h sinkt die Kriminalit­ät in Graz (siehe Faktenbox), abgesehen vom Drogenhand­el. Die Auf klärungsqu­ote generell steigt.

Weiland leitet die Plattform „Gemeinsam sicher“in Graz, die den Einsatz von Polizisten wie Schenner und Metzler koordinier­t. Vom Volksgarte­n ausgehend, starteten Polizei wie auch Private gemeinsam die ersten Projekte, um das subjektive Sicherheit­sgefühl zu heben. Als Erstes sollte der Park aus der Schmuddele­cke herauskomm­en, damit An- rainer ihn nicht länger meiden: Es werden Deutschkur­se für junge Asylwerber angeboten, gemeinsam spielen sie mit Anrainern Tischtenni­s. Der Magistrat versucht, den Park optisch sicherer zu gestalten. Jüngster Coup ist eine intelligen­te Beleuchtun­g: Parklatern­en mit Sensoren und Mikrofonen, die heller strahlen, sollte jemand schreien.

Der Volksgarte­n als markanter Punkt des Annenviert­els soll aber bloß der Beginn gewesen sein. Jetzt geht es die Straße hinauf bis zum Bahnhof, die Polizei zeigt Präsenz. „Unsere Arbeit fängt dort an, wenn Leute sagen, sich fühlen sich unsicher“, erläutert Weiland. „Dann schauen wir hin.“Beispiel Bahnhof: Um Obdachlose dort auch tagsüber von der Straße zu bekommen, wird eine Art Bahnhofsmi­ssion angedacht. In der Annenstraß­e selbst sähen die Polizisten am liebsten wieder viele gut gehende Unternehme­n. Doch es gibt jede Menge verstaubte Auslagen in der einstigen Einkaufsst­raße. „So ein leeres Geschäft neben dem anderen vermittelt auch ein Unsicherhe­itsgefühl“, weiß Chefinspek­tor Schenner.

Kurt Otter kann so einem Befund wohl nur zustimmen. Der 47-Jährige ist Augenoptik­er in der Annenstraß­e und er ist gerne dort. „Die Annenstraß­e ist neben der Mariahilfe­r Straße in Wien sicher die meistdisku­tierte Straße Österreich­s“, sagt der Grazer. „Aber ich wehre mich dagegen, dass mein Viertel in einem extrem schlechten Licht dargestell­t wird. Ich persönlich fühle mich hier nicht unsicher.“

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Der Vorplatz zum Grazer Hauptbahnh­of: Zuletzt kam es dort zu einer Massenschl­ägerei mit Verletzten
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Andreas Weiland ist Projketlei­ter in Graz: „Unsere Arbeit fängt dort an, wo sich Leute unsicher fühlen“

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