Im Einsatz gegen den schlechten Ruf
Hotspots Volksgarten und Bahnhofsviertel: Die Polizei versucht, das subjektive Sicherheitsgefühl durch Präsenz und Projekte zu heben.
Der alte Herr wirkt verloren auf dem hektischen Platz vor dem Hauptbahnhof. „Da drüben, da gibt’s ein Kaffeehaus“, rät Bernhard Schenner, und der Pensionist bedankt sich.
Mehr Auskunfts- als Amtsperson ist der Chefinspektor in dem Moment. „Wenn jemand kommt und sagt, da ist eine Straßenlaterne kaputt oder eine Parkbank, dann versuche ich, mit den Zuständigen Kontakt aufzunehmen“, überlegt der Polizist. „Obwohl ich für Straßenlaternen nicht da bin.“
Aber Schenner und sein Kollege Robert Metzler sind sogenannte Sicherheitsbeauftragte: Uniformierte Beamte, die neben ihrem üblichen Polizeidienst zu Bürgerversammlungen gehen oder im Sicherheitszentrum beraten. Sie sind aber auch in jener Gegend von Graz anzutreffen, die zuletzt immer öfter negativ auffiel − die Schneise vom Bahnhofsvorplatz über die Annenstraße bis hinunter zum Volksgarten.
Stadt schaut anders aus
Kaum einen Kilometer lang ist die Strecke in eine Richtung, doch ihr folgt ein schlechter Ruf, medial und in der öffentlichen Wahrnehmung. Massenschlägerei dort, (Klein-)Drogenhandel mit Haschisch da. Menschen aus sogenannten Randgruppen, die tagsüber im Park oder beim Bahnhof herumlungern, weil sie sonst nirgendwo hinkönnen: „Das Erscheinungsbild der Stadt hat sich in dem Bereich verändert. Das kann verunsichern und Angst machen, obwohl eigentlich nicht mehr passiert als in anderen Teilen der Stadt“, beschreibt Andreas Weiland. „Aber die subjektive Wahrnehmung ist halt etwas anderes.“Tatsächlich sinkt die Kriminalität in Graz (siehe Faktenbox), abgesehen vom Drogenhandel. Die Auf klärungsquote generell steigt.
Weiland leitet die Plattform „Gemeinsam sicher“in Graz, die den Einsatz von Polizisten wie Schenner und Metzler koordiniert. Vom Volksgarten ausgehend, starteten Polizei wie auch Private gemeinsam die ersten Projekte, um das subjektive Sicherheitsgefühl zu heben. Als Erstes sollte der Park aus der Schmuddelecke herauskommen, damit An- rainer ihn nicht länger meiden: Es werden Deutschkurse für junge Asylwerber angeboten, gemeinsam spielen sie mit Anrainern Tischtennis. Der Magistrat versucht, den Park optisch sicherer zu gestalten. Jüngster Coup ist eine intelligente Beleuchtung: Parklaternen mit Sensoren und Mikrofonen, die heller strahlen, sollte jemand schreien.
Der Volksgarten als markanter Punkt des Annenviertels soll aber bloß der Beginn gewesen sein. Jetzt geht es die Straße hinauf bis zum Bahnhof, die Polizei zeigt Präsenz. „Unsere Arbeit fängt dort an, wenn Leute sagen, sich fühlen sich unsicher“, erläutert Weiland. „Dann schauen wir hin.“Beispiel Bahnhof: Um Obdachlose dort auch tagsüber von der Straße zu bekommen, wird eine Art Bahnhofsmission angedacht. In der Annenstraße selbst sähen die Polizisten am liebsten wieder viele gut gehende Unternehmen. Doch es gibt jede Menge verstaubte Auslagen in der einstigen Einkaufsstraße. „So ein leeres Geschäft neben dem anderen vermittelt auch ein Unsicherheitsgefühl“, weiß Chefinspektor Schenner.
Kurt Otter kann so einem Befund wohl nur zustimmen. Der 47-Jährige ist Augenoptiker in der Annenstraße und er ist gerne dort. „Die Annenstraße ist neben der Mariahilfer Straße in Wien sicher die meistdiskutierte Straße Österreichs“, sagt der Grazer. „Aber ich wehre mich dagegen, dass mein Viertel in einem extrem schlechten Licht dargestellt wird. Ich persönlich fühle mich hier nicht unsicher.“