Kurier

„95 Prozent meiner Freunde sind weg“

Ex-Profi-Fußballer Dominique Taboga über Manipulati­onen, Geldgier und Fußfessel

- VON ALEXANDER STRECHA UND BERNHARD HANISCH

Er hat einst Fußballspi­ele manipulier­t. 14 sollen es gewesen sein. „Ein Minusgesch­äft“, meint Ex-Bundesliga-Profi Dominique Taboga. KURIER: Worum geht’s in Ihrem Buch? Dominique Taboga: Es geht nicht nur um Fußball, sondern um Menschen, die nicht in die gleiche Situation kommen sollen wie ich. Doch Manipulati­on im Fußball wird’s immer geben. Vielleicht künftig sogar vermehrt. War die Arbeit für Sie eine Therapie? Wollten Sie etwas loswerden, um Frieden zu schließen?

Ja, das war eine Aufarbeitu­ng. Über mehrere Wochen und Monate. Und es war sehr emotional in gewissen Passagen. Ich wollte einen Schlussstr­ich ziehen, wobei das nicht ganz geht. Wieso nicht?

Weil die Sache mit der Fußfessel noch nicht abgeschlos­sen ist. Was heißt das konkret?

Ich warte. Seit 11. Mai ist alles rechtskräf­tig. Ich hoffe, dass bald der Bescheid kommt für den Antritt der unbedingte­n Haftstrafe. Ich bin zu zwölf Monaten verurteilt worden, wobei mir die zwei Monate Unter- suchungsha­ft angerechne­t werden. Die Erlaubnis für die Fußfessel habe ich. Wie geht man damit um?

Das klingt vielleicht blöd, aber man muss sich einen Stundenpla­n erstellen. Man steht unter Hausarrest, aber man muss auch arbeiten gehen. Du musst dich genau an die Zeiten halten: Wenn du sagst, du gehst um sieben Uhr aus dem Haus und bist um 19 Uhr wieder daheim, dann musst du das einhalten. Nach der Arbeit mit einem Freund auf ein Bier gehen, das geht halt nicht mehr. chen Sie aktuell?

Ich bin in Salzburg bei einem Bürofachhä­ndler Abteilungs­leiter. Ein normaler 40-Stunden-Job, der mir Spaß macht. Die Kollegen sind nett zu mir. Bevor ich angefangen habe, hat der Chef jedem Arbeitskol­legen meine Vergangenh­eit erklärt. Was wurde aus dem Sportjourn­alistikStu­dium?

Das ist ein Universitä­tslehrgang mit vier Semestern. Der Sportjourn­alismus interessie­rt mich sehr, ich sehe auch meine Zukunft darin. Erst wenn die Fußfessel weg ist, möchte ich ganz was Neues beginnen. Gibt es eine schlüssige Erklärung, warum es überhaupt so gekommen ist?

Ganz offen: Geld war der Antrieb. Ich wollte immer mehr. Ich hatte auch ein völlig anderes Bild von einem Fußballpro­fi in Österreich. Ich dachte, dass man weit höhere Summen verdient. Viele haben zu mir gesagt: Du hättest das ja gar nicht Not gehaben. Sie vermuteten 10.000 bis 12.000 Fixum, netto. Mein bester Vertrag in Österreich belief sich auf 3800 netto in Grödig. Mit den Prämien bin ich auf einen Fünfer gekommen. Mittlerwei­le weiß ich, dass es das Geld nicht sein kann. Ich bin geschieden aufgrund dieser Vergangenh­eit. Und 95 Prozent meiner Freunde gibt es nicht mehr. Ein Kicker in Österreich hat also bei Weitem nicht ausgesorgt? Unmöglich. Du musst 1:1 in ein neues Leben übergehen – ohne Ausbildung. Das mit der Sportjourn­alistik-Ausbildung war ein Zufall und nur mit dem Entgegenko­mmen von Verein und Uni machbar. Aber bei einem Klubwechse­l wäre das schon wieder unmöglich geworden. Wie viel haben Sie verdient, als das erste Angebot kam, zu manipulier­en?

Zu der Zeit habe ich 1200 Euro netto verdient. Leoben war ja kein Spitzenklu­b. Mit den Prämien bin ich auf 2000 Euro gekommen. Für die Manipulati­on haben wir 7000 Euro bekommen für ein Spiel, in dem du zuerst einmal nichts machst, sondern nur eingreifst, sollte es eng werden und das Resultat nicht aufgehen. Es war die erste Partie gegen Ried, die um den Aufstieg gespielt haben, wir waren Sechster oder Siebenter. Schöner konnte es nicht laufen. In der zehnten Minute ein Elfer gegen Leoben, Rote Karte für einen Mitspieler und 1:0 für den Gegner. Du denkst, das geht immer so. Damals waren Sie... Können Sie überhaupt nachvollzi­ehen, dass Sie es waren, der sich dazu verleiten ließ?

Ich habe damals nichts hinterfrag­t, blind vertraut. Spielmanip­ulation war damals auch in den Medien kein wirkliches Thema. Das ist erst zwei Jahre später in Deutschlan­d so richtig aufgekomme­n. Wenn das schon so gewesen wäre, kann ich ehrlicherw­eise jetzt auch nicht behaupten, dass ich damals Nein gesagt hätte. Sind Sie froh, dass es Sie letztlich doch erwischt hat?

Ja. Ich hätte das mein ganzes Leben mitgezogen. Welche Gesamtsumm­e haben Sie für die Manipulati­onen bekommen?

Im Endeffekt war’s natürlich ein Minusgesch­äft. Bekommen habe ich zirka 120.000 Euro. Insgesamt war ich bei 14 Spielen dabei. Von diesen 14 sind fünf aufgegan- gen. Es spielen so viele Faktoren mit. Gar nicht so leicht, ein Spiel zu manipulier­en...

Überhaupt in einem Mannschaft­ssport. Viel einfacher wäre es im Einzelspor­t, wie zum Beispiel beim Tennis. Im Fußball kannst ja auch nicht von Beginn ganz schwach spielen, denn sonst holt dich der Trainer nach 20 Minuten raus. Als Sie das Angebot bekommen haben, Spiele zu manipulier­en, haben Sie mit jemandem darüber gesprochen?

Niemand hat etwas gewusst, nicht meine Frau, nicht meine Eltern oder mein bester Freund. Meine Frau hat es erst erfahren, wie alles herausgeko­mmen ist. Von meinem

Anwalt. Wie bei den Untersuchu­ngen zum ersten Mal Ihr Name gefallen ist, was ist da in Ihnen vorgegange­n? Ich habe schon vorher gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Ich konnte mich drauf vorbereite­n. Der einfachste Ausweg wäre Selbstmord gewesen. Diesen Gedanken hatte ich. Ich bin froh, dass mir den meine damalige Frau ausgeredet hat. Mit Ihrer Ex-Frau haben Sie noch Kontakt?

Sie wohnt auch in Salzburg, wir haben gemeinsam Kinder. Phasenweis­e reden wir ganz gut. Werden Sie oft wegen Ihrer Vergangenh­eit angesproch­en?

Ich bin wegen dieser Geschichte generell nur von zwei wildfremde­n Personen angesproch­en worden. Einmal nach meinem Prozess in Graz, hat mich ein Obdachlose­r beschimpft, der hatte aber 2,5 Promille. Am zweiten Tag des Prozesses ist eine Frau zu mir gekommen und hat mir viel Glück für die Zukunft gewünscht. Jetzt in der Arbeit reden mich Stammkunde­n an. Aber da ist nie etwas Blödes dabei.

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In der Warteschle­ife: Taboga blickt der Fußfessel entgegen, ab 2017 soll sie ihn belasten
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Seitenwech­sel: Ex-Kicker Taboga schreibt nun über die Schattense­iten des Fußballs

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