Kurier

Durchgebra­nnt

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Nach einem Jahr Wahlkampf müssen wir keine weitere TV-Diskussion mit den beiden Spitzenkan­didaten Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen ertragen. Überrasche­nderweise zogen uns nicht die teils übel missglückt­en Fernsehauf­tritte der beiden den Nerv, sondern das, was im Internet auf Facebook und diversen Onlinefore­n damit veranstalt­et wurde. Freundlich ausgedrück­t: Das Vermögen, sich zivilisier­t auszudrück­en, korreliert­e nicht unbedingt mit der Größe des eigenen Sendungsbe­wusstseins.

Dass sich hier vor allem die Radaubrüde­r im blauen Lager hervortate­n, überrascht nicht. Die Partei hat früher als alle anderen erkannt, dass Facebook ein wichtiges Werkzeug zur Meinungsbi­ldung ist. Außerdem wird der schrille Ton, den Heinz Christian Strache gern benutzt, gut gehört. Im Internet zählt die Auffälligk­eit, nicht die sinnvolle Sortierung der eigenen Argumente.

Dass der durchgebra­nnte öffentlich­e Diskurs im Netz auch auf die Arbeit unabhängig­er Journalist­innen Einfluss hat, ist eine beschämend­e Nebenwirku­ng. Moderatori­nnen wie Corinna Milborn müssen rund um Interviews mit blauen Politikern ihre Kinder davor schützen, was über sie gepostet wird. So etwas ist unerhört.

Wir können so nicht weitermach­en. Das wird immer mehr Mitmensche­n bewusst, wie die Postings auf KURIER.at unter einer Story über Milborn beweisen: Zahllose Stimmen der Vernunft bieten den Hassposter­n Paroli. Höchste Zeit für so ein Zeichen.

philipp.wilhelmer@kurier.at

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