Weltuntergangssteine und Opferschalen
Der Heilige schützt Vieh, Viehhändler und Gefangene
Es sind ganz besondere Findlingssteine – wie Stein-Skulpturen in der Landschaft –, die mich im „granitreichen“Mühlviertel in die Marktgemeinde St. Leonhard führen. Von engagierten Bürgern wurden mehrere vom Ortszentrum ausgehende Rundwanderwege angelegt, umsichtig gestaltet und bestens beschildert – und jeder Weg ist mit einem eigenen Motto versehen. Einer der besonders involvierten Akteure ist Herbert Punz. „Wir wollten bei den neuen Wanderwegen weg vom Asphalt und auf möglichst naturnahe Routen.“Wir folgen dem Opferschalenweg mit der Markierung 2. Durch herbstrote Buchenwälder und fein geputzte Wiesen schlängelt sich der Weg durch das hügelige Gelände. Ein wenig fühlt man sich an eine Erzählung der in St. Leonhard geborenen Schriftstellerin Susi Wallner erinnert, der auf dem nahen Predigerstein eine Aussichtswarte gewidmet ist: „Durch die lichter werdenden Stämme lugt hie und da rosiges Himmelslicht. ... Der Weg steigt steil hinan, um sich hüben rasch hinunterzusenken.“Immer wieder tauchen Bauernhöfe mit prächtigem scheckigen Fleckvieh in den Freilaufställen auf. Der Heilige Leonhard wird wohl heute nicht mehr so oft angerufen wie früher, er scheint aber immer noch als Schutzpatron der Tiere wirksam zu sein. Die Kühe sind optische Schönheiten, sichtlich gesund und völlig entspannt.
Schließlich erreichen wir imposante Felsblöcke, die mittels einer Leiter bestiegen werden. Mehrere 80 bis 100 cm große Vertiefungen sind zu sehen, die mit Wasser gefüllt sind. Eine Tafel erklärt: Im Lauf von Jahrmillionen wurden durch Frostsprengungen Steinpartikel vom flachen Felsen gelöst und Steinwannen herausgebildet. Diese Stellen sollen auch sichtbare Zeichen besonderer Kraftfelder sein. Ein mystisches Naturschauspiel.
Wir wechseln in den Kulturwanderweg Nr. 5 und gelangen nach 20 Gehminuten zu den Weltuntergangssteinen. Bei diesen handelt es sich um zwei Findlinge, die sich scheinbar aufeinander zu bewegen. Sollte es so weit kommen, dass die beiden zusammenstoßen, so wird – nach einer Legende – die Welt untergehen. Hoffentlich stehen sie noch lange.
Der Rückweg führt in die Pfarrkirche von St. Leonhard, deren Ursprünge bis ins 12. Jahrhundert zurückgehen. Immer schon war sie als Wallfahrtsort bekannt und gern besucht. Neben dem neugotischen Flügelaltar finden sich Glassärge mit den Skeletten der Heiligen Felix und Clemens aus römischen Katakomben. Die lebensgroße und wundertätige Statue des Hl. Leonhard gibt es seit über 200 Jahren nicht mehr. Der Heilige, der als Adeliger im sechsten Jahrhundert in Frankreich gelebt hat, ist dennoch noch immer präsent. Als Patron für das Vieh, Viehhändler und für die Gefangenen.