O solo mio
Der Single-Report. Alleinstehende sind längst keine bedauernswerten Wesen mehr, die dem Schicksal ausgeliefert sind. Dass sie ein genauso erfülltes Leben haben wie Verheiratete, bestätigt nun auch die Forschung.
Sogar Bridget Jones hat plötzlich gar nicht mehr so viel dagegen, Single zu sein. Statt Schokolade zu frühstücken und über ihren Beziehungsstatus zu grübeln, stürzt sich die 43-Jährige in der neuesten Verfilmung selbstbewusst ins Partyleben. Dass sie am Ende erst wieder vor dem Traualtar landet, stieß vielen (vor allem weiblichen) Kritikern sauer auf: Im Jahr 2016 sei es nicht mehr nötig, dass eine Single-Frau von einem Mann „gerettet“wird. Nicht einmal, wenn dieser Mann Colin Firth und Anwalt für Menschenrechte ist.
Single-Haushalte
Denn alleinstehende Männer und Frauen sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Kein Wunder, steigt doch die Zahl der Einpersonenhaushalte – vor allem in den Großstädten – Jahr für Jahr an. In Wien lebt fast die Hälfte der Menschen ohne Partner (siehe Grafik). „Wir bemerken eine immer größere Nachfrage nach Singlewohnungen, die auf möglichst kleinem Raum optimal angelegt sein sollen“, berichtet etwa Stephan Weninger, Geschäftsführer von Vienna Immobilien. „Das Angebot an für Singles optimal zugeschnittene Wohnungen deckt bei Weitem nicht die Nachfrage.“
Nicht nur der Wohnungsmarkt ändert sich durch die vielen Alleinstehenden: Das deutsche Umweltbundesamt machte den demografischen Wandel jüngst für die anfallenden Müllberge mitverantwortlich – weil Singles häufiger auf Fertiggerichte setzen, die in der Regel aufwendig verpackt sind. Lisa Fischbach Diplom-Psychologin
Über die Gründe des SoloBooms wurde viel geschrieben: Einerseits ist die Auswahl an potenziellen Partnern dank Dating-Apps viel größer als früher; andererseits will sich die Generation der 18- bis 35-Jährigen nur ungern bzw. erst später auf eine Person festlegen. „In der Familiengründungsphase sinkt der Anteil der Singles“, weiß Lisa Fischbach, Single-Coach und Diplom-Psychologin bei der Online-Partnervermittlung ElitePartner. „Im Alter stellt sich das Single-Dasein zweigeteilt dar. Frauen ab 50 sind deutlich häufiger Single als Männer, das nimmt mit dem Alter zu. Ein wichtiger Grund ist, dass Frauen über mehr Single-Kompetenz verfügen. Sie fühlen sich als Single wohler, haben ein breiteres soziales und emotionales Netz und können somit besser mit dem Alleinsein umgehen.“
Die Liebesexpertin stellt fest: „Singles sind nicht mehr das bedauernswerte Wesen, das dem Schicksal verfallen ist, allein bleiben zu müssen. Heutzutage gibt es viele Lebensbiografien, in denen längere Single-Phasen selbst gewählt werden, um andere Projekte oder die Persönlichkeitsentwicklung in den Fokus zu stellen.“
„Die klaren Lebensphasen wie früher gibt es so nicht mehr“, bestätigt auch der Trend- und Zukunftsforscher Christian Schuldt. „Es entstehen neue Sozialkonstruktionen, die einen Normalitätsstatus bekommen. Singles hat es natürlich immer gegeben – heute wird selbst gewähltes Single-Dasein nicht mehr stigmatisiert.“
Parallel-Dating
Einer dieser Großstadt-Singles ist Nikolaus, Ende 20 und seit zwei Jahren solo. „Am Anfang habe ich verschiedene DatingApps ausprobiert und war viel unterwegs, um Frauen kennenzulernen. Aber mittlerweile verwende ich keine Apps mehr. Wenn ich fortgehe, dann in erster Linie, um mit meinen Kumpels einen draufzumachen.“Statt auf die Suche nach der Traumfrau konzentriert sich der Hobby-Musiker nun in erster Linie auf sich selbst. „Ich habe meine Mitte gefunden. Der Rest ist zur Nebensache geworden.“
„Irgendwann“würde sich Nikolaus gerne wieder verlieben – aber eben nicht mit Zwang. Mit dieser Einstellung repräsentiert er viele Alleinstehende. „60 Pro- zent der Singles zwischen 30 und 40 sind gerne Single, wünschen sich aber irgendwann wieder einen Partner“, weiß Fischbach. Nur wenige geben an, aktiv danach zu suchen. „Parallel-Dating“nennt die Psychologin das Phänomen, das schnelle Flirt-Apps à la Tinder mit sich gebracht haben. Laut einer Umfrage des australischen Liebesportals eHarmony trifft sich der ( junge) Single von heute im selben Zeitraum mit sechs Personen. Im Vordergrund steht der Spaß, kein fixes Ziel.
Wissenschaft
Trotz steigender Akzeptanz ist das Bild der alleinstehenden, frustessenden Bridget Jones aus den ersten beiden Filmen immer noch in vielen Köpfen verhaftet. Dabei widerlegt die Wissenschaft gängige Klischees über Singles: Auf der jährlichen Tagung der American Psychological Association machte die USPsychologin Bella DePaulo erst kürzlich darauf aufmerksam, dass nicht jeder Single das Ziel haben muss, so schnell wie möglich unter die Haube zu kommen. „Alleinstehenden geht es viel besser, als uns eingeredet wird – in manchen Bereichen sogar besser als Verheirateten“, so die Autorin des hochgelobten Buches „Singled Out“.
Die Auswertung verschiedener Studien habe ergeben, dass Singles einen erfüllenden Job mehr schätzen als Vergebene, ihre Freundschaften mehr pflegen und besser vernetzt sind. „Wenn Menschen heiraten, schotten sie sich eher ab“, weiß die Psychologin von der Univer- sity of California in Santa Barbara. Entgegen bisheriger Annahmen leben Singles auch nicht ungesünder bzw. kürzer als Vergebene. Und es gebe Hinweise darauf, dass Menschen ohne Partnerschaft eine „bessere Persönlichkeitsstruktur“hätten.
DePaulo betonte, dass es ihr nicht darum ginge, das Leben von Paaren schlecht zu reden – sondern klarzustellen, dass das Single-Dasein kein Zustand sei, dem man so schnell wie möglich entkommen müsse. Eine Botschaft, die hoffentlich auch bald bei den Machern von „Bridget Jones“ankommt.
„Ein Single ist nicht mehr das bedauernswerte Wesen, das dem Schicksal verfallen ist.“ „Es gibt keine klaren Lebensphasen mehr. Dadurch entstehen neue Sozialkonstruktionen.“
... auch Menschen mit festen Partnerschaften ihrem SingleLeben manchmal nachtrauern? Bei einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach (Deutschland) aus dem Jahr 2012 räumte etwa jeder Dritte in einer Beziehung ein, dass das Leben als Single durchaus seine Reize habe. ... zu viel Auswahl an Singles auch überfordert? Das haben britische Wissenschaftler mit einer Studie über Speed-Dating untersucht. Ergebnis: Je größer und unterschiedlicher die Auswahl der teilnehmenden SpeedDater war, desto kleiner sei später die Zahl der Verabredungen gewesen. Ein überschaubares Angebot kann also auch seine Vorteile haben. ... Liebessuchende nach Meinung einiger Experten etwas von Schimpansen lernen können? In einem auf Primaten Christian Schuldt Trend- und Zukunftsforscher spezialisierten Tiergarten im niederländischen Apeldoorn werden „Affen-Workshops“für Flirtwillige angeboten. Das Verhalten von Affenhorden ähnle nämlich bei der Partnersuche dem des Homo sapiens. ... es in China einen Tag für Singles gibt? Am 11. 11. (besonders viele einzelne Striche) locken locken Online-Händler mit Schnäppchen für Alleinstehende. Umgerechnet mehr als eine Milliarde Euro geben die Chinesen jedes Jahr am „Singles’ Day“aus, der auch als Anti-Valentinstag bezeichnet wird. ... Singles ein Lächeln am Telefon als wichtigsten Flirtfaktor bezeichnen? Das ergab eine Umfrage der Dating-App hispar, die nicht über Fotos, sondern über die Stimme funktioniert. Auf Platz 2 landete Authentizität, auf Platz 3 ehrlich gemeinte Komplimente.