„Ich bin dankbar – und möchte ein bisschen ausschnaufen“
Van-der-Bellen-Wahlfeier. Spürbare Erleichterung beim künftigen Bundespräsidenten und ausgelassene Stimmung bei seinen Anhängern
Alexander Van der Bellen stöhnt zunächst einmal erschöpft ins Mikrofon, als er gegen 21.45 Uhr endlich die Bühne bei seiner Wahlfeier betritt. Dann sagt er in seiner unnachahmlich-ruhigen Art: „Wir haben gewonnen.“
Da bricht in den Sofiensälen in Wien-Erdberg ohrenbetäubender Jubel aus.
Hier hat sich das SiegerTeam, hier haben sich die Sympathisanten versammelt. Van der Bellen hat es geschafft. Er wird Bundespräsident. Die Erleichterung ist ihm und seinen Mitstreitern anzusehen. Sie grölen „We are the champions“, singen voller Inbrunst Reinhard Fendrichs „I am from Austria“. Die Atmosphäre gleicht der Stimmung bei einem Länderspiel. Österreich hat aus Sicht der Van-der-BellenFans und -Wähler gewonnen.
Bringt der Sieg auch Rückenwind für die Grünen?
„Ja, die Motivation steigt, aber es sind keine Lorbeeren, auf denen man sich ausruhen darf “, sagt Albert Steinhauser, Vize-Klubchef der Grünen im Parlament.
Und was bedeutet das im Hinblick auf die nächste Nationalratswahl?
„Neue Wahl, neues Spiel – und hoffen auf neues Glück“, sagt der Nationalratsmandatar schmunzelnd.
Ansporn für die Grünen
Wiens Grünen-Chefin Maria Vassilakou ist etwas vorsichtiger bei der Interpretation des Wahlergebnisses. „Es wäre vermessen zu sagen, dass die Wahl Rückenwind für die Grünen bringt. Denn das war ein Sieg einer breiten Bewegung.“Aber für die Grünen sei das Ergebnis „jedenfalls ein Ansporn“.
Van der Bellen spricht auch vom Erfolg einer großen Bewegung und verspricht „ein weltoffener und pro-europäischer Präsident zu sein“.
Schon nach der ersten Hochrechnung ist Sonntagabend klar, dass es diesmal – im Gegensatz zur ersten Stichwahl im Mai – keine Zitterpartie wird.
Das Ambiente in den Sofiensälen ist stimmig, es passt zum angehenden Staatsoberhaupt: Weiß gedeckte Tische, weiß bezogene Stühle, goldene Verzierungen an den hohen Wänden und schwere, rote Samtvorhänge.
Auf einem Schild, das ein Mann in die Höhe stemmt, steht: „Gott sei Dank.“Eine Anspielung auf Hofers Slogan: „So wahr mir Gott helfe.“
Zu diesem Zeitpunkt wischt sich Barbara Neuroth gerade einige Tränen aus den Augen. „Es hatten sich so viele Emotionen aufgestaut. Ich musste weinen“, schildert die grüne Bezirkspolitikerin, die im Parlament tätig war, als Van der Bellen dort den Klub führte. Neuroth freut sich, dass er nun in die Hof burg einziehen wird, „weil er so eine integere Persönlichkeit ist“.
Erleichtert ist auch der Tiroler Ricardo (42): „Ich bin happy, dass wir die Kurve genommen und gegen den Bre- xit- und Trump-Trend gewählt haben.“
Der Unternehmer Günter Wittek findet auch nur lobende Worte: „Van der Bellen hat ein hohes Maß an Seriosität und Glaubwürdigkeit. Er hat eine Ahnung von Wirtschaftspolitik und er sieht immer das Ganze und nicht par- tikulare Interessen.“Der Hafnermeister aus Mistelbach hatte sich noch nie zuvor politisch engagiert, doch für den 72-jährigen Ökonomen stellte er sich auf die Straße.
Wittek ist ein Beleg dafür, dass es Van der Bellen eben geschafft hat, auch Menschen aus dem sogenannten bürgerlichen Lager auf seine Seite zu bringen.
Ein anderer aus diesem politischen Spektrum ist ÖVP-EU-Mandatar Othmar Karas. Er hat sich intensiv für den pro-europäischen Kandidaten eingesetzt und sieht in der Kür Van der Bellens „ein klares Signal für ein starkes Österreich in der EU und ein Bekenntnis für Mitverantwortung in der EU“.
Starker Zusammenhalt
Unweit von Karas steht Alev Korun. Die Grüne Nationalratsabgeordnete sagt, sie sei „überglücklich, dass Österreich ein Signal in die Welt aussendet, dass wir eine starke Demokratie sind. Die Menschen stellen den Zusammenhalt vor das Trennende.“
Van der Bellen sagt: „Ich bin dankbar.“Und „ein bisschen ausschnaufen“würden er und sein Team nach einem Jahr Wahlkampf jetzt wohl müssen. Zuerst aber wurde noch ausgiebig gefeiert.