Blues auf der blauen Insel Wiens
Im „Auszeitstüberl“in Simmering, Stammbeisl der BezirksFPÖ, ist es ungewohnt ruhig. Bei der Wien-Wahl im Oktober 2015 herrschte am späten Abend schon Partystimmung. Diesen Sonntag wird an den Tischen diskutiert; gelacht nur vereinzelt – über das Wahlergebnis sicher nicht.
Nach und nach trudeln die Wahlbeisitzer ein, überreichen dem Bezirksobmann Harald Stefan, der auch FPÖ-Verfassungssprecher im Parlament ist, ihre Sprengelergebnisse. „Ich habe es befürchtet“, sagt Stefan. „Offenbar ist es nicht gelungen, genügend FPÖ-Wähler zu mobilisieren.“Schuld könnte das kalte Wetter sein, der Adventsonntag, oder – wer sonst – die Medien. „Der Lopi ist schuld“, sagt eine Bezirksrätin scherzhaft. ÖVPKlubchef Reinhold Lopatka hat sich kürzlich ja als HoferBefürworter geoutet.
„Die Schlacht haben wir verloren, nicht den Krieg“, gibt sich eine Bezirksrätin kämpferisch. „Die FPÖ ist im Aufstieg“, pflichtet man ihr am Tisch bei. Trotzdem: Dieses Wahlergebnis sei zu respektieren, wird allseits betont – zumindest den anwesenden Journalisten gegenüber.
Pragmatisch gibt sich FPÖ-Bezirksvorsteher Paul Stadler: „Is so. Das Leben geht weiter.“Dabei ist die Nieder- lage für ihn doppelt bitter: Immerhin war er es, der bei der Bezirksvertretungswahl im Vorjahr die rote Ära des Arbeiterbezirks beendet hat.
Simmering wählte VdB
Auch bei der ersten, aufgehobenen Hof burg-Stichwahl war Simmering eine blaue Insel im grünen Wien. Insgesamt wählten 63,3 Prozent den Ex-Grünen-Chef Van der Bellen. Nur in Simmering lag FPÖ-Kandidat Hofer mit 50,3 Prozent vorne. Und jetzt? 50,8 Prozent der Simmeringer wählten Van der Bellen, der einzige blaue Fleck auf der Wien-Karte ist weg.
Enttäuscht dürfte auch ein Fernsehteam aus den USA sein, das in Erwartung einer Sensation nach Simmering gereist ist. Die Reporter von
NBC mussten am Nachmittag am Enkplatz aber lange nach Blau-Wählern suchen, die auch Englisch sprechen. „Es gibt für mich keine Alternative zu Van der Bellen“, erklärt eine junge Mutter den Reportern. Wenigstens sie freut sich – darüber, dass sie bald im US-Fernsehen ist.