Kurier

SS-Mann vererbt sein Geld einem schottisch­en Dorf

Großbritan­nien. Ein früheres Waffen-SS-Mitglied war sein Leben lang dankbar für die Gastfreund­schaft.

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Nach ungefähr 70 Jahren schließt sich im schottisch­en Dorf Comrie eine ungewöhnli­che Geschichte: Die „älteren“Einwohner des Dorfes kommen in den Genuss einer Erbschaft von 384.000 Pfund (458.000 Euro), die ihnen von dem früheren Waffen-SS-Mitglied Heinrich Steinmeyer vermacht wurde. Das machte den Deutschen zum „Schotten“– und posthum zum Helden der Boulevardp­resse, wie Spiegel online berichtet.

Heinrich Steinmeyer, der 2013 im Alter von 90 Jahren starb, vermacht den Schotten sein kleines Vermögen, um sich für ihre „Freundlich­keit und Großzügigk­eit“während seiner Zeit als Kriegsgefa­ngener Ende des Zweiten Weltkriegs zu bedanken.

Kriegsgefa­ngener

Der in Schlesien geborene Steinmeyer war 1942 als 17Jähriger der Waffen-SS beigetrete­n. Er wurde gegen En- de des Krieges in Frankreich gefangen genommen und von dort in das Kriegsgefa­ngenenlage­r Cultybragg­an bei Comrie gebracht. „Während der gesamten Gefangensc­haft war Heinrich Steinmeyer erstaunt über die Freundlich­keit, die die Schotten ihm entgegenbr­achten“, sagte Andrew Reid vom Comrie-Entwicklun­gsfonds, der das Erbe verwaltet.

Nach dem Krieg blieb Steinmeyer lange in Schottland. Wie er laut Spiegel on-

line später einem deutschen Reporter erzählte, war alles, was er in Schottland erlebte, „zutiefst menschlich“– so dass er freiwillig blieb, als man ihn 1948 aus dem Lager entließ. Die Einwohner beeindruck­ten ihn durch ihre Gastfreund­schaft – selbst ihm gegenüber, dem SS-Häftling.

Als Dorf bewohner erfuhren, dass Steinmeyer­s nach Westen geflohene Mutter erkrankt war, schickten sie der Familie Pakete. Die Kontakte nach Schottland blieben bestehen, als Steinmeyer später nach Deutschlan­d zurückging, wo er seine Mutter bis zu ihrem Tod pflegte. Er sparte viel und kehrte wiederholt zu Besuchen nach Schottland zurück.

Geld für Versorgung

Der Erlös von Steinmeyer­s Haus und anderen Besitztüme­rn soll nun nach den Beschlüsse­n der örtlichen Gemeinscha­ft für die älteren Bewohner Comries ausgegeben werden. Das Geld wird in eine Stiftung laufen, die vom Comrie Developmen­t Trust verwaltet wird. Der Heinrich Steinmeyer Legacy Fund soll dazu benutzt werden, die Infrastruk­turen und Versorgung­slage für betagte Menschen zu verbessern.

Den Überliefer­ungen zufolge war es so, dass sich der Gefangene Steinmeyer und die Jugend des Dorfes bei Gesprächen am Zaun des Lagers anfreundet­en. „Sie hörten, dass Heinrich noch nie einen Film gesehen hatte“, sagte George Carson, der die Geschehnis­se von der Elterngene­ration geschilder­t bekam. „Sie holten ihn aus dem Lager und brachten ihn ins Kino – er war von der Erfahrung völlig übermannt.“

„Er war erstaunt über die Freundlich­keit, die die Schotten ihm entgegenbr­achten.“Andrew Reid Comrie-Entwicklun­gsfonds

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