Start für Krebstherapie der Zukunft
In Wiener Neustadt wird der erste Patient im 200 Millionen Euro teuren Krebszentrum bestrahlt
15 Jahre lang schürten Pressemeldungen über eine neue Art der Krebsbehandlung Hoffnungen bei schwer erkrankten Patienten. Viele setzen in MedAustron die letzte Hoffnung im Kampf gegen die heimtückische Krankheit.
Umso größer ist die Freude, als Montagfrüh im neuen Krebsbehandlungs- und Forschungszentrum in Wiener Neustadt (NÖ) der allererste Patient mit den speziellen Ionenstrahlen behandelt wird. „Die Leute sind schon für die diversen Untersuchungen und Vorbereitungen seit Tagen bei uns“, erklärt MedAustron-Geschäftsführer Alfred Zens.
Aus Rücksicht auf die Privatsphäre der Kranken beschränken wir uns beim Lokalaugenschein auf die Rolle des stillen Beobachters.
Rückblickend grenzt es für alle Beteiligten an ein Wunder, dass die Vision zur Realität wurde. Es ist einer Gruppe von Enthusiasten und einigen Landespolitikern zu verdanken, dass das 200 Millionen Euro teure Prestigeprojekt in Österreich und nicht in irgend einem anderen Land umgesetzt wurde. 40 Millionen Euro steuerte der Bund dazu bei, den Rest stemmte das Land Niederösterreich über eine eigene Gesellschaft.
Sanfte Methode
Was MedAustron von der herkömmlichen Strahlentherapie unterscheidet: Dass die Strahlung nicht durch den gesamten Körper geht.
„Die Energie wird im Tumor freigesetzt, ohne umlie- gendes Gewebe zu beschädigen. Daher können auch Tumore an lebenswichtigen Organen, im Schädel oder beispielsweise am Rückenmark behandelt werden“, erklären Zens und die zuständigen Mediziner.
Ein Positionierungsroboter sorgt dafür, dass die Patienten mit der Genauigkeit eines halben Millimeters rich- tig zum Strahl ausgerichtet werden. In einer ersten Phase werden fast ausschließlich Hirn- oder Tumore am Rückenmark mit einem horizontal ausgerichteten Strahl behandelt. Bis Ende 2017 kommen für diese Behandlung etwa 100 bis 150 Patienten in Frage.
In weiteren Ausbaustufen folgen Behandlungsräu- me mit anderen Bestrahlungsarten, beispielsweise den Kohlenstoffionen. „Erst 2019 ist der Vollausbau erreicht. Dann sprechen wir von 1000 bis 1200 Patienten pro Jahr“, erklärt Zens.
Im Schnitt sind 20 bis 30 Bestrahlungen pro Erkranktem nötig. „Wir machen fünf Behandlungen unter der Woche in Serie, an den Wochenenden ist Pause“, so der Geschäftsführer. Die Betroffenen nächtigen in Hotels in der Umgebung.
Ansturm
Da sich seit Wochen die Anfragen verzweifelter Krebspatienten bei MedAustron häufen, gibt Zens deutlich zu verstehen, dass die Ionentherapie kein Allheil- oder Wun- dermittel ist. Alleine in Österreich gibt es pro Jahr etwa 40.000 Neuerkrankungen, etwa die Hälfte davon benötigt eine Strahlentherapie. Davon kommt allerdings nur ein Bruchteil für die MedAustron in Frage. „Die Zuteilungen kommen von den onkologischen Zentren und den Chefärzten. Es wird genau selektiert, für wen die Therapie überhaupt die richtige Behandlungsmethode ist“, schildert Zens.
Weltweit wurden in den bestehenden Krebszentren bereits 140.000 Patienten mit Ionenstrahlen behandelt. Auch 100 Österreicher waren 2015 darunter. Bei MedAustron rechnet man ebenfalls mit einer gewissen Zahl an Ausländern.