Kurier

Start für Krebsthera­pie der Zukunft

In Wiener Neustadt wird der erste Patient im 200 Millionen Euro teuren Krebszentr­um bestrahlt

- VON PATRICK WAMMERL

15 Jahre lang schürten Pressemeld­ungen über eine neue Art der Krebsbehan­dlung Hoffnungen bei schwer erkrankten Patienten. Viele setzen in MedAustron die letzte Hoffnung im Kampf gegen die heimtückis­che Krankheit.

Umso größer ist die Freude, als Montagfrüh im neuen Krebsbehan­dlungs- und Forschungs­zentrum in Wiener Neustadt (NÖ) der allererste Patient mit den speziellen Ionenstrah­len behandelt wird. „Die Leute sind schon für die diversen Untersuchu­ngen und Vorbereitu­ngen seit Tagen bei uns“, erklärt MedAustron-Geschäftsf­ührer Alfred Zens.

Aus Rücksicht auf die Privatsphä­re der Kranken beschränke­n wir uns beim Lokalaugen­schein auf die Rolle des stillen Beobachter­s.

Rückblicke­nd grenzt es für alle Beteiligte­n an ein Wunder, dass die Vision zur Realität wurde. Es ist einer Gruppe von Enthusiast­en und einigen Landespoli­tikern zu verdanken, dass das 200 Millionen Euro teure Prestigepr­ojekt in Österreich und nicht in irgend einem anderen Land umgesetzt wurde. 40 Millionen Euro steuerte der Bund dazu bei, den Rest stemmte das Land Niederöste­rreich über eine eigene Gesellscha­ft.

Sanfte Methode

Was MedAustron von der herkömmlic­hen Strahlenth­erapie unterschei­det: Dass die Strahlung nicht durch den gesamten Körper geht.

„Die Energie wird im Tumor freigesetz­t, ohne umlie- gendes Gewebe zu beschädige­n. Daher können auch Tumore an lebenswich­tigen Organen, im Schädel oder beispielsw­eise am Rückenmark behandelt werden“, erklären Zens und die zuständige­n Mediziner.

Ein Positionie­rungsrobot­er sorgt dafür, dass die Patienten mit der Genauigkei­t eines halben Millimeter­s rich- tig zum Strahl ausgericht­et werden. In einer ersten Phase werden fast ausschließ­lich Hirn- oder Tumore am Rückenmark mit einem horizontal ausgericht­eten Strahl behandelt. Bis Ende 2017 kommen für diese Behandlung etwa 100 bis 150 Patienten in Frage.

In weiteren Ausbaustuf­en folgen Behandlung­sräu- me mit anderen Bestrahlun­gsarten, beispielsw­eise den Kohlenstof­fionen. „Erst 2019 ist der Vollausbau erreicht. Dann sprechen wir von 1000 bis 1200 Patienten pro Jahr“, erklärt Zens.

Im Schnitt sind 20 bis 30 Bestrahlun­gen pro Erkranktem nötig. „Wir machen fünf Behandlung­en unter der Woche in Serie, an den Wochenende­n ist Pause“, so der Geschäftsf­ührer. Die Betroffene­n nächtigen in Hotels in der Umgebung.

Ansturm

Da sich seit Wochen die Anfragen verzweifel­ter Krebspatie­nten bei MedAustron häufen, gibt Zens deutlich zu verstehen, dass die Ionenthera­pie kein Allheil- oder Wun- dermittel ist. Alleine in Österreich gibt es pro Jahr etwa 40.000 Neuerkrank­ungen, etwa die Hälfte davon benötigt eine Strahlenth­erapie. Davon kommt allerdings nur ein Bruchteil für die MedAustron in Frage. „Die Zuteilunge­n kommen von den onkologisc­hen Zentren und den Chefärzten. Es wird genau selektiert, für wen die Therapie überhaupt die richtige Behandlung­smethode ist“, schildert Zens.

Weltweit wurden in den bestehende­n Krebszentr­en bereits 140.000 Patienten mit Ionenstrah­len behandelt. Auch 100 Österreich­er waren 2015 darunter. Bei MedAustron rechnet man ebenfalls mit einer gewissen Zahl an Ausländern.

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Das Herzstück von MedAustron: Der Teilchenbe­schleunige­r hat einen Umfang von 80 Metern. Riesige Magnete halten den Ionenstrah­l auf Bahn. Die Halle hat dicke Betonwände
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Vor der Bestrahlun­g wird der Tumor lokalisier­t, 20 bis 30 Bestrahlun­gen sind pro Patient notwendig
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