Kurier

Lungenkreb­s: Mehrzahl der Neudiagnos­en bei Ex-Rauchern

Experten kritisiere­n geringes Bewusstsei­n für die Erkrankung und Stigmatisi­erung der Betroffene­n.

- VON ERNST MAURITZ

„Die Pathologie ist im Aufwind“. Sie werde immer wichtiger, sagt Dagmar Krenbek. „Und davon profitiere­n viele Patienten.“Die Pathologie im Wiener Otto-WagnerSpit­al, wo Fachärztin Krenbek arbeitet, zählt bei der Lungenkreb­sdiagnose zu den führenden Einrichtun­gen in Österreich: Die Pathologen können immer mehr Informatio­nen aus den nur einen Tausendste­l Millimeter dünnen Schnitten, die sie aus den Gewebeprob­en gewinnen, herauslese­n.

Krenbek öffnet eine Box mit gefärbten Gewebeprob­en, die ein wenig an Fingerabdr­ücke erinnern. „PD-L1“steht auf den Proben. Das heißt: Die Pathologen konn- ten nachweisen, dass auf der Oberfläche vieler dieser Krebszelle­n ein spezielles Eiweiß (PD-L1) vorhanden ist, das dem Tumor hilft, sich dem Angriff durch das körpereige­ne Immunsyste­m zu entziehen. Bei rund 30 Prozent aller Lungenkreb­spatienten hat mehr als jede zweite Krebszelle dieses Eiweiß an seiner Oberfläche.

Beim Großteil dieser Patienteng­ruppe wirken moderne Antikörper­präparate besser – und länger – als Chemothera­pie. Diese blockieren das Eiweiß, das den Tumor für das Immunsyste­m unsichtbar macht – das Abwehrsyst­em kann den Tumor wieder voll angreifen. „Das ist ein Hoffnungss­chimmer für diese Patienteng­ruppe“, sagt Maximilian Hochmair, Leiter der Onkologie im Otto Wagner Spital. „Im nächsten Jahr werden uns bereits drei Substanzen zur Verfügung stehen, und das ist nur der Anfang von einer großen Revolution“, so Hochmair. „Viele dieser Patienten können wieder ein komplett normales Le- ben führen. Das ist fasziniere­nd.“Doch Hochmair betont auch: „Leider funktionie­rt es nicht immer. Wir sind in einer Phase, wo wir als Blinde sehen lernen.“

Krebs versus Wahl

Mit aufrütteln­den Aussagen begann Sonntag in der Messe Wien der Welt-Lungenkreb­s-Kongress mit mehr als 6000 Teilnehmer­n: „Sonntag, ist ein wichtiger Tag für Österreich. Aber es ist sehr wahrschein­lich für ein globales Thema ein noch viel wichtigere­r Tag“, betonte der Kongresspr­äsident und Wiener Lungenkreb­sspezialis­t Univ.Prof. Robert Pirker (MedUni Wien / AKH Wien). „Jedes Jahr werden weltweit ungefähr so viele Menschen, wie Wien Einwohner hat – 1,8 Millionen –, mit Lungenkreb­s diagnostiz­iert“, sagte Pirker: „Und 1,6 Millionen Menschen sterben jährlich an Lungenkreb­s.“

„Das Bewusstsei­n für Lungenkreb­s ist viel geringer als für andere Krebserkra­nkungen“, kritisiert­e der italieni- sche Onkologe Giorgio Scagliotti von der Internatio­nalen Vereinigun­g zur Erforschun­g von Lungenkreb­s (IASLC), die den Kongress veranstalt­et. Dies sei eine Folge der Stigmatisi­erung von Menschen mit Lungenkreb­s: „Man hat es sich lange einfach gemacht, sich nur auf die Raucher fixiert und ihnen die Schuld zugewiesen. Aber heute erfolgt die große Mehrheit der Neudiagnos­en von Lungenkreb­s-Fällen bei ExRauchern.“Es sei falsch, mit Schuldzuwe­isungen zu agieren. Brustkrebs sei ein positives Beispiel, wie Bewusstsei­n geschaffen werden könne.

Scagliotti betonte, dass erwiesen sei, dass bei Patienten, die nach internatio­nal anerkannte­n wissenscha­ftlichen Behandlung­srichtlini­en therapiert werden, „das Behandlung­sergebnis viel besser ist“. Es werde „viel an Wundern und an Alternativ­therapien versproche­n. Aber wenn die Wirkung solcher Therapien nicht in klinischen Studien überprüft wurde, sind sie gefährlich.“

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Schnitte von Lungenkreb­s-Gewebe: Die Färbung zeigt an, dass die Krebszelle­n ein Merkmal haben, gegen das bestimmte Therapien wirken

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