Kurier

„Geduld war das Wichtigste“

Green-Day-Drummer Tré Cool über den Entzug von Sänger Billie Joe Armstrong

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

Im September 2012 flippte Green-Day-Sänger Billie Joe Armstrong beim iHeart-Music-Festival in Las Vegas aus. In einem Wutanfall darüber, dass seine Band kürzer spielen musste, damit der Sänger Usher mehr Zeit bekam, ließ er eine Sturzflut von Flüchen ab und zertrümmer­te sturzbetru­nken Instrument­e. Danach zog sich die kalifornis­che Punk-Band zurück. Armstrong sollte Zeit für den Alkohol- und Tabletten-Entzug bekommen. Und Bassist Mike Dirnt wollte sich um seine Frau kümmern, die an Brustkrebs erkrankt war , nun aber als geheilt gilt. Deshalb haben Green Day erst jetzt – vier Jahre nach dem Vorgänger – die neue CD „Revolution Radio“veröffentl­icht. Drummer Tré Cool erzählt, wie er diese Zeit erlebt hat. KURIER: War der Vorfall bei dem iHeart-Music-Festival der entscheide­nde Moment, dass Sie sich entschloss­en haben, Pause zu machen? Tré Cool: In gewisser Weise schon. Aber der Vorfall wurde von den Medien unnötig aufgeblase­n, weil dort extrem viele Medien-Leute vor Ort waren. Wir sind nun einmal eine Punk-Band und verwenden Schimpfwor­te. Wir waren einfach wir selbst. Die Leute waren nur schockiert, weil das in einem Umfeld von lauter Pop-Acts passiert ist, die sich alle benommen haben, als wären sie in der Schule. Und es gab ja auch noch andere gute Gründe dafür, Pause zu machen. Welche denn?

Wir hatten kurz davor die drei Alben „Uno!“, „Dos!“ und „Tré!“aufgenomme­n. Dafür wollten wir nach all den Konzept-Alben mit „American Idiot“und „21st Century Breakdown“nur viele, viele unabhängig­e Songs schreiben. Um unterschie­dlichen Inspiratio­nen einzufange­n , waren wir dafür in vielen Studios in diversen Städten rund um den ganzen Erdball. Wir waren auf Tempo eingestell­t und keiner wollte auf die Bremse treten. Danach waren wir erschöpft. Sie sind sehr gut befreundet und ich nehme an, dass Sie Billie helfen wollten. Wie konnten Sie ihn beim Entzug unterstütz­en?

Geduld war das Wichtigste. Indem wir ihm alle Zeit gaben, die er brauchte und keinerlei Druck machten, weiterzuar­beiten. Ein Entzug ist ein sehr schwierige­r und auch langer Weg. Das zu verstehen , war wichtig. Deshalb haben wir erst begonnen, an „Revolution Radio“zu arbeiten, als es sich ganz natürlich ergeben hat. Wir unternehme­n ja auch in Pausen viel miteinande­r, gehen häufig surfen. Irgendwann sagte Billie: „Ich hab zwei neue Songs!“Aber selbst da haben wir immer noch nicht davon gesprochen, ein Album zu machen, weil wir uns nicht derart unter Druck setzten wollten. Um Billie zu unterstütz­en, haben außerdem auch Mike und ich unsere Trinkgewoh­nheiten geändert. Das war speziell wichtig, als wir wieder auf Tour gegangen sind. Aber auch im Studio haben wir getestet, wie gesund wir leben können. Da gab es nur Gemüsesäft­e – und keine Partys mehr. Was früher ganz anders war ...

Als wir jünger waren, haben wir schon mal gefeiert, wenn wir ein paar Tracks fertig hatten. Aber nie, bevor wir etwas aufgenomme­n haben. Paul McCartney hat mir erzählt, dass es dieses Missverstä­ndnis gibt, dass die Beatles im Studio high oder betrunken waren. Aber er sagte, sie haben erst getrunken, wenn sie mit den Ses- sions komplett fertig waren. Ich finde, das ist ein guter Rat. Mit Paul McCartney haben Sie 2015 gespielt, als Sie in die Hall Of Fame aufgenomme­n wurden. Wie war das?

Mit Ringo Starr zu drummen, mit McCartney zu spielen, ist ein Traum, der nur sehr wenigen Musikern erfüllt wird. Außerdem war es das erste Mal nach der Pause, dass Green Day wieder live zusammenge­spielt haben. Wir waren mit unseren Fami- lien und befreundet­en Musikern dort. Und das, um unsere Karriere zu feiern! Es war wirklich wunderbar. Den Song „Bang Bang“singt Billie aus der Perspektiv­e eines verrückten Psychopath­en, der um sich schießt und viele Menschen töten will. Haben Sie diskutiert, ob das vielleicht ein zu drastische­r Text ist?

Nein, wir wollen Billies Kreativitä­t nicht einschränk­en. Wenn sich etwas erschrecke­nd anfühlt, ist es vielleicht sehr gut. Billie hatte eine sehr düstere Zeit, als er sich in diese schrecklic­he Person versetzte. Er hatte deshalb Albträume und Schlafstör­ungen. Aber wenn sich ein Song so ungemütlic­h anfühlt, weil er einen Nerv trifft, dann ist das genau das, was wir wollen.

Green Day sind einer der Headliner des Nova Rock 2017, das von 14. bis 17. Juni in den Pannonia Fields bei Nickelsdor­f stattfinde­t. Karten: 01/96 0 96 oder www.oeticket.com

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Wegen der Tabletten- und Alkohol-Sucht von Billie Joe Armstrong (vorne) mussten Green Day pausieren
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Drummer Tré Cool: Stolz, mit Ringo Starr gespielt zu haben

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