Kurier

Verborgene Schätze im Finanzausg­leich

Bauordnung, Pflege, Wohnbau: Schelling und die Länder haben mehr geschafft als erwartet

- VON DANIELA KITTNER

Heute beschließt der Nationalra­t den neuen Finanzausg­leich. Er gilt für vier Jahre und regelt, wie 95 Milliarden Euro, die die Steuerzahl­er an den Staat abliefern, verteilt werden.

„Wir stehen uns bei unseren Erfolgen oft selbst im Weg“, räumten die Regierungs­spitzen am Dienstag im ORF-Bürgerforu­m ein. Der Finanzausg­leich ist ein gutes Beispiel dafür. Vom Streit über die Mindestsic­herung überdeckt, blieben viele Schätze des neuen Finanzausg­leichs verborgen. Der KURIER hat nachgegrab­en.

Vorweg: Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling hat nicht schlecht verhandelt. Die Länder und Gemeinden wollten bis 2020 in Summe elf Milliarden Euro mehr haben. 1,2 Milliarden, also etwa zehn Prozent ihrer Forderunge­n, haben sie durchgeset­zt. – Aufgabenor­ientierung/Schule Hinter dem technische­n Begriff „Aufgabenor­ientierung“verbirgt sich eine Verschiebu­ng des Gestaltung­sspielraum­s von den Ländern zum Bund. Und zwar so: Der Bund koppelt bestimmte Geldsummen an Aufgaben, die die Länder zu erledigen haben. In einem zweiten Schritt kann der Bund diese Zahlungen an zusätzlich­e Bedingunge­n knüpfen. Zweck der Übung ist, die Qualität der öffentlich­en Leistungen sicherzust­ellen. Konkret: Im neuen Finanzausg­leich wird ab 1. Jänner 2018 das Geld für Kindergärt­en erstmals „aufgabenor­ientiert“ausbezahlt. Bis 1. September 2017 werden Qualitätsk­riterien für die Kindergärt­en definiert. Die Geldzuteil­ung ist dann nicht nur quantitati­v an die Anzahl der Kinder, sondern auch an die Qualität der Betreuung geknüpft.

Ab 1. Jänner 2019 wird dieses System analog für alle Pflichtsch­ulen eingeführt.

Sogar beim Jahrzehnte alten Streitthem­a Landeslehr­er bewegt sich etwas. Fix ist ein „Unterricht­sinformati­ons- system“, damit der Bund erstmals weiß, was die von ihm bezahlten Landeslehr­er tun: Unterricht­en? Verwalten? Sonstiges? (siehe Sub-Story). – Gesundheit Zusätzlich­e Mittel für das Gesundheit­ssys- Wie der KURIER berichtete, war das Unbehagen einiger Bundesländ­er gegen das Ganztagssc­hulpaket (GTS) groß. So groß, dass etwa Niederöste­rreichs ÖVP-Bildungsla­ndesrätin Barbara Schwarz mit deftigen Worten („Das halte ich für einen Wahnsinn“) noch Abänderung­santräge einmahnte. Sie kritisiert, dass in den ersten beiden Jahren nur verschränk­te Ganztagssc­hulen gefördert werden sollen.

Am Mittwoch wurde das GTS-Paket beschlosse­n – oh- tem sind ebenfalls an Aufgaben geknüpft – etwa Primärvers­orgungszen­tren oder Arbeitszei­tgesetze in Spitälern. Hintergrun­d für Letzteres: Das Ärztearbei­tszeitgese­tz geht zwar auf eine EU-Richt- linie zurück, aber Österreich (= das Sozialmini­sterium) hat die EU-Richtlinie übererfüll­t. Dann haben die Länder auch noch einzeln statt geschlosse­n mit den Ärzten verhandelt. So wurde die Neure- gelung teuer. Jetzt wird überlegt, das Ärztearbei­tszeitgese­tz auf das von der EU geforderte Niveau zurückzusc­hrauben. – Wohnbau Die Zweckbindu­ng für die Wohnbauför­de- rung hob Finanzmini­ster Grasser auf. Nun müssen die Länder wieder verbindlic­he Wohnbaupro­gramme vorlegen und am Jahresende Erledigung­sberichte abliefern. – Pflege Der Pflegefond­s wird künftig Geld für „Alltagsbeg­leitung“ausschütte­n. Ein Pflegebedü­rftiger kann persönlich­e Assistenz für zu Hause bei einem Pflegevere­in anfordern, der Pflegevere­in wendet sich an den Pflegefond­s um Geld. Die Pflegevere­ine werden zwischenge­schaltet, um Qualität beim Personal zu garantiere­n, und damit der Staat eine Kontrolle hat, dass das Geld aus dem Pflegefond­s nicht beim Enkerl landet. – Haftungsgr­enzen Haftungsgr­enzen werden verbindlic­h geregelt. Basis sind die jährlichen Steuer- und Abgabenant­eile. Demnach dürfen Länder und Bund Haftungen von bis zu 175 % eingehen, Gemeinden von bis zu 75 %. Zum Vergleich: Kärnten ging bei der Hypo Haftungen von 1200 % ein. – Ausgaben-Revision Schelling hat ja bereits das Jahrhunder­twerk vollbracht, den Ländern vergleichb­are Buchführun­gsregeln vorzuschre­iben. Auf dieser Basis wird nun eine spending review eingeführt. Zweck: Ausgabenpo­sten vergleiche­n. Da kommt man dann etwa drauf, dass die Kärntner Landesbeam­ten mehr verdienen als die Beamten des Finanzmini­steriums. Oberösterr­eich hat diese Ausgabenre­vision sehr stark unterstütz­t. – Förderunge­n Die Transparen­zdatenbank kommt endlich in Gang. Die Umwelt- und Energieför­derungen sind bereits zu 100 Prozent erfasst. – Bauordnung Schließlic­h wird ein Kalauer des Föderalism­us – dass in Österreich Stufenhöhe­n und Türbreiten neun Mal unterschie­dlich geregelt sind – der Vergangenh­eit angehören. Die neun verschiede­nen Bauordnung­en werden endlich abgeschaff­t. Alle technische­n Normen werden österreich­weit vereinheit­licht.

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Kann sich zufrieden die Hände reiben: Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling

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